Oh man, das kenne ich...

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vanihh Avatar

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Das Buchcover verrät: es geht nach Skandinavien. Seit "Der 100-jährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" schätze ich Romane aus Skandinavien. Wenn es nicht gerade ein reiner Liebesroman a la Inga Lindström ist, mag ich den skandinavischen feinen Humor. Das Buch hätte ich in einem Buchladen auf jeden Fall in die Hand genommen und den Klappentext gelesen.

A prayer for the wild at heart, kept in cages.

Dieser Spruch passt wunderbar zum Klappentext. Das Leben ist oft eine Anhäufung verpasster Chancen und Möglichkeiten, unerfüllter Träume. Wer hat sich nicht vor 20 Jahren vorgestellt, wie sein Leben heute aussehen würde. Nicht nur die Protagonistin Anette hatte sich ihr Leben anders vorgestellt. Wem geht das nicht so? Es kommt aber darauf an, die Träume nicht aus den Augen zu verlieren, dafür ist es nie zu spät.

Die Mutter - Tochter Konstellation, die im Buch doppelt vorkommt - Oma - Mutter - Tochter - finde ich besonders spannend. Dieses Verhältnis ist immer etwas ganz Besonderes. Da meine Mutter und ich uns sehr nah stehen, kann ich viele Dinge, die in der Leseprobe vorkommen, absolut nachvollziehen und habe sie teilweise ähnlich erlebt. Waffeleisen, Bohrmaschine, Werkzeug, ... all die Dinge hat meine Mutter besorgt, weil die in einen "ordentlichen Haushalt" gehören... Die Szene des Auszugs hätte sich genau so auch bei uns abspielen können. Ich, die kleine Prinzessin, zog aus in die große fremde Stadt. Meine Mutter denkt darüber nach, sich im Oktober 2018 für 4 Wochen in ein künstliches Koma versetzen zu lassen, während ich auf Campingreise im südlichen Afrika bin. Mir sind also all die Dinge, die sich bei Anette und Emma abspielen nicht fremd.
Demenz ist ein aktuelles Thema. Auch wenn es in der Leseprobe noch keine große Rolle spielt, bin ich gespannt, wie das Buch diese Thema angeht.

Besonders gut gefällt mir, dass ich als Leser direkt in das Geschehen, in eine Ausnahmesituation, hineingeworfen werde: Emmas Auszug. Die Geschichte nimmt rasant an Fahrt auf. Erst danach folgt, wie es dazu kam.
In dem Schreibstil mit teilweise längeren Sätzen finde ich mich wieder. Bei der Arbeit bin ich bekannt für meine langen Sätze. Ich finde, man kann in diese langen Sätze so viel mehr hineinpacken als die kurzen Sätze, die wie "Gewehrkugeln" dem Leser um die Ohren fliegen.

Die anderen Charaktere, Arbeitskollegen und Kunden, sind "Typen", das mag ich.
Wie erhofft, enthält das Buch einiges an Wortwitz und lässt mich beim Lesen schmunzeln: Praktisches Material, so ein Gips!