Mehr Psychodrama als Thriller

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Vor zwanzig Jahren ist die 16-jährige Julie Novak aus ihrem Elternhaus verschwunden, die Mutter hat morgens eine Lösegeldforderung auf dem Computermonitor ihres Mannes entdeckt. Anders als in dem Text gefordert, schalten die Eltern dennoch die Polizei ein, die Entführer melden sich nicht wieder und Julies Schicksal bleibt ungeklärt. Doch Julies Vater Theo glaubt immer noch, dass seine Tochter lebt und er sie finden könnte. Aber die Zeit drängt. Der inzwischen 74-jährige, einst so erfolgreiche und eloquente Herzchirurg, gleitet in die Demenz ab. Klare und verwirrte Zustände wechseln in rasantem Tempo, ihm bleibt nicht mehr viel Zeit für die Suche nach seiner ältesten Tochter.

Liv und Phil sind sehr erfolgreich mit ihrem True Crime Podcast und rollen den Fall Julie Novak anlässlich des traurigen Jubiläums ihres Verschwindens erneut auf. Anders als in ihren bisherigen Fällen steigen sie dieses Mal sehr viel tiefer ein. Trotz der anfänglichen Skrupel nach der Entdeckung von Theos Demenz beginnt Liv gemeinsam mit ihm und seiner jüngsten Tochter Sophia die Geschehnisse von damals intensiv zu untersuchen.

Ebenso wie die früheren Romane der Autorin lässt sich auch Himmelerdenblau sehr gut lesen. Besonders beeindruckend sind die Abschnitte, die aus Theos Sicht geschildert sind oder in denen Theos Wortfindungsschwierigkeiten in der Kommunikation mit anderen deutlich werden. Auch die Reaktionen seiner Familie, seines Arztes und langjährigen Freundes und insbesondere von Liv, die etliche schwierige Situationen mit ihm durchsteht, sind glaubwürdig und berührend beschrieben.

Der Blick auf die Menschen, die im Zuge von Ermittlungen in den Fokus der Öffentlichkeit geraten und selbst nach Jahren noch befürchten müssen, erneut verdächtigt zu werden und hilflos Anfeindungen ausgeliefert zu sein, ist ebenfalls gelungen.

Allerdings nehmen die intensiven Schilderungen von Theos Verfassung und die Spurensuche in der Vergangenheit viel Raum ein und bremsen die Handlung aus. Das geht zu Lasten des Spannungsaufbaus. Erst im zweiten Teil des Romans zieht das Tempo an und die Geschichte wird spannender. Für einen Thriller ist das insgesamt etwas zu wenig, deshalb kann ich nur 3 Sterne vergeben. Fans von Romy Hausmann werden den Roman wahrscheinlich trotzdem mögen, Thrillerfans könnten aber enttäuscht sein.