Identitätskrise

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marialein Avatar

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Nach einer gescheiterten Ehe und einer berufsbezogenen Glaubenskrise zieht sich Daniel in ein einfaches Leben als Lehrer an einem Gymnasium zurück. Er denkt sich nichts weiter dabei, als sein Zwillingsbruder Max, den er normalerweise höchstens einmal im Jahr sieht, ihn zu sich nach Himmelstal in die Schweizer Alpen einlädt, wo er sich einer Therapie unterzieht. Doch während er anfangs noch positiv überrascht ist vom lockeren, luxuriösen Leben in der Anstalt, die sich nur nach und nach als psychiatrische Klinik offenbart, wird ihm doch allmählich klar, dass manche Dinge dort ziemlich schief laufen. Und als er von Max mehr oder weniger gezwungen wird, mit ihm die Rollen zu tauschen, findet er sich auf einmal allein und völlig unvorbereitet in einem Tal voller Psychopathen wieder, aus dem es scheinbar keinen Ausweg gibt…

Marie Hermanson schafft es, Spannung ganz allmählich, dafür aber umso effektiver, aufzubauen. Auf jeder Seite taucht ein neues, beunruhigendes Element auf, sodass man sich unaufhörlich die Frage stellt, was in Himmelstal eigentlich los ist. Tatsächlich hatte ich beim Lesen teilweise den Eindruck, paranoid zu werden, weil die Geschichte mich so mitgerissen hat!

Das ist aber nicht das einzige, was den Roman ausmacht. Besonders haben mich auch die Problematik der Identität und die philosophischen Aspekte angesprochen, die im Laufe der Handlung angesprochen werden. Ich habe mir eigentlich nie die Frage gestellt, welches Bedürfnis nach Individualität ein Zwilling haben kann, oder wie verwirrend es für einen Dolmetscher sein kann, der sich so stark in den Sprecher hineinversetzt, dass er sich selbst nicht mehr richtig wahrnimmt. Und dennoch werden diese Fragen der Identität sehr einleuchtend beschrieben. Auch die philosophischen Überlegungen darüber, was einen Menschen überhaupt ausmacht, und ob das Gewissen nicht wirklich nur ein hinderliches Überbleibsel der Evolution ist, lassen einem irgendwie keine Ruhe.

Hermanson ist es gelungen, solch existentielle Fragen in eine spannende und plausible Geschichte zu verpacken und ihren Leser noch damit zu beschäftigen, lange nachdem er das Buch ausgelesen hat!