Ein poetischer, langsamer und detaillierter Roman über die Politisierung in der chinesischen Umbruchphase von 1989

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stephi19 Avatar

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Lai Wens Erstlingswerk, der Roman "Himmlischer Frieden" erzählt von den Protesten in 1989 am Platz des Himmlischen Friedens in China. Ich weiß nur wenig von diesen Protesten und bin sehr gespannt, was mich erwartet.
Die Ich-Erzählerin führt die Leser*in sehr eloquent und liebevoll in ihre Familie und Freundschaften ein und wie es für sie ist, im China der 70er/80er Jahre aufzuwachsen. Sie erzählt und erinnert detailgetreu und klar und es macht Freude ihren Ausführungen zu folgen.

Die historischen Fakten werden ganz nebenbei eingestreut, sind dabei verwoben mit der individuellen Geschichte der Protagonistin (basierend auf dem Leben der Autorin), die so anders und kaum vorstellbar für europäisch sozialisierte Personen ist. Bereits in ihrer Kindheit macht sie erste Erfahrungen von Polizeigewalt. Die Anfänge der Politisierung wirken eher beiläufig und weniger wie eine Entscheidung mehr wie eine Notwendigkeit.

Wens Sprache ist sehr besonders, poetisch und klar. Sie zeichnet sich durch Detailliebe und eine genaue Beobachtungsgabe aus.

Lai Wens Roman ist beeindruckend virtuos und doch leicht erzählt. Die Atmosphäre Chinas und der politischen Umbrüche und die Zerrissenheit in den Familien, traumatisiert in der Kulturrevolution, wird spürbar, wirkt dabei jedoch nie angestrengt. Es ist eine langsame, genaue Erzählung, mit dem Fokus auf der Entwicklung der Hauptfigur und ihren Beziehungen, die der Leser *in manchmal etwas Geduld abverlangt.

Das Motiv der Literatur/ des Lesens verknüpft mit den Gefühlen von Freiheit und Hoffnung, ist wunderbar gewählt. Und zeigt die Kraft und das widerständige Potential von Bildung und Literatur.