Die unkonventionelle Chastity-Variante

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bobbi Avatar

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Staatsanwältin und Ich-Erzählerin Chastity Riley feiert mit ihrer "Truppe" in einer noblen Skybar am Hamburger Hafen den Geburtstag von Faller. Die Truppe, das sind nach außen knallharte und innerlich teils traumatisierte Polizeibeamte und irgendwie auch Freunde sowie Ex-Geliebte von Chas - eine Gruppe von Menschen, die innerlich zerrissen sind und sich gegenseitig Halt geben. Doch statt einer ausgelassenen Feier kommt es in der Bar zu einer schwer bewaffneten Geiselnahme und Chastity holt sich in diesem ganzen Tohuwabohu auch noch eine Blutvergiftung.
Der zweite Handlungsstrang führt den Leser zur Lebensgeschichte von Henning, der in den 80er-Jahren dem rauen Hamburger Kiez entfloh und sich eine Zukunft in Kolumbien, Cartagena aufgebaut hat - allerdings basiert auf Drogengeschäften, die eskalieren und ein tragisches Ende finden.
Beide Plots laufen ineinander und ergeben am Ende einen fulminanten Showdown. Bemerkenswert ist hier aber der absolut ungewöhnliche und unkonventionelle Schreibstil der Autorin Simone Buchholz! Ich kenne noch keinen der acht Chastity-Vorgänger und bin begeistert - prägnante, kurze Sätze und Überschriften, manchmal lyrisch (beispielsweise wenn Chas aufgrund der Sepsis das Fantasieren anfängt), immer psychologisch tiefenscharf mit Blick in menschliche Abgründe, bildgewaltig und humorvoll. Der messerscharfe Blick der Staatsanwältin auf Personen und Situationen ist eine lakonische Mischung aus verschroben, hart kalkuliert, schwarzem Humor und liebevoll.
Natürlich werden im Roman auch einige Klischees bedient und Situationen a la Bruce Willis übertrieben - aber auch das zähle ich zur lakonischen Schreibkunst der Autorin, die schon einige Auszeichnungen für ihre Chastity-Reihe erhalten hat und deren Stil mit ungewöhnlichen, prägnanten und verschrobenen Sprachbildern sich von der Masse abhebt.