Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
takabayashi Avatar

Von

Es ist schon eine Weile her, dass ich einige Bände aus der Chastity Riley-Reihe gelesen habe, aber der vorliegende neunte Band hat mich dermaßen gepackt und begeistert, dass ich die mir fehlenden Bände umgehend nachholen muss. Simone Buchholz kann einfach sehr gut schreiben! Ihr Stil ist lässig, lakonisch, kurz und knapp, Staccato manchmal.
Zwei Handlungsstränge werden miteinander verwoben: Es geht um die Lebensgeschichte eines jungen Mannes aus Hamburg, der im Jahr 1984 auf einem Schiff anheuert und dann in Cartagena in Kolumbien landet und dort schließlich als Handlanger der kolumbianischen Drogenkartelle agiert. Als er verraten wird, geht sein gesamtes Leben in die Brüche. Er hat nichts mehr zu verlieren und sinnt nur noch auf Rache ... Der zweite Handlungsstrang in der Gegenwart: eine Geburtstagsfeier unter Polizisten, in einer (zu) schicken Hamburger Bar, unter den Feiernden die Staatsanwältin Chastity, ihr Ex-Lover und ihr Ab-und-an-Lover - nur der aktuelle Lover fehlt. Gastgeber ist Faller, der Chef der Mordkommission, der 65 wird und kurz vor der Rente steht. Es zeigt sich, dass die beiden Geschichten eigentlich nur eine sind. Es kommt zu einer stundenlangen Geiselnahme in dieser Bar. Dort wird die Geschichte immer aus Chastitys Perspektive geschildert und ganz allmählich wird dem Leser klar, worum es bei dieser Geiselnahme geht.
Was besticht, sind die flotten Dialoge, die coole Sprache, die sehr ungewöhnliche Hauptfigur. Den letzten Band, den ich gelesen hatte, fand ich etwas zu depressiv, das war hier nicht der Fall, auch wenn durch Chastitys skeptische Weltsicht immer auch ein Hauch von Melancholie ins Spiel kommt. Und ich fand es sehr angenehm, mal nicht einen 500+-Seiten-Schinken vor mir zu haben.
Fernab der Krimi-Fließbandware haben wir hier einen anspruchsvollen, literarischen Kriminalroman, dessen Verlauf uns überrascht, der Hochspannung liefert und bestens unterhält. Etwas irritiert hat mich eine kurze Passage, in der der Text Gedichtform annimmt, aber auch daran konnte ich mich gewöhnen. Empfehlenswert, wenn auch vermutlich nicht jedermanns Sache!