Ungewöhnlicher Sprachstil

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Der Gegenwartsoman „Hotel Cartagena“ stammt aus der Feder von Simone Buchholz und wird im Herbst 2019 vom Suhrkamp NovaVerlag herausgegeben.
Protagonisten sind wieder die in Hamburg agierende Staatsanwältin Chastity Riley mit ihrer Cowboytruppe. Diesmal wollen sie eigentlich nur das Jubiläum von Faller feiern, schick in einer teuren Bar hoch oben über den Dächern Hamburgs. Doch die Party wird jäh unterbrochen, als Geiselnehmer die Bar stürmen. Als diese dann nicht mal Forderungen stellen wird schnell klar, dass dies keine gewöhnliche Geiselnahme ist.
Parallel zu den Ereignissen dieser Nacht erzählt Buchholz rückblickend die Geschichte von Henning, einem waschechten Hamburger Jung, der im Kiez aufwächst, dann doch auf den nächsten Dampfer steigt, um die große Welt zu entdecken … und in Cartagena / Columbien strandet. Dort verstrickt er sich im Drogenkartell und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Jahrzehnte später zurück in seiner Heimatstadt bereitet Henning seinen Racheplan vor, der in der Geiselnahme vorläufig endet.
Den Sprachstil von Frau Buchholz muss man mögen. Wird das Geschehen in der Bar eher in kurzen knappen Sätzen abgearbeitet, lässt sie sich beim Erzählen von Hennings Werdegang wesentlich mehr Zeit. Die Sprache hier ist nicht so komprimiert, lässt Platz für Beschreibungen. Aber Buchholz springt nicht nur im Sprachstil, sondern auch in den Erzählperspektiven. Während wir das Geschehen in der Bar ausschließlich durch Rileys Augen verfolgen, betrachten wir Hennings Leben aus der Sicht des allwissenden Erzählers. Das gleiche gilt für das Geschehen rund um den Polizeieinsatz vor dem Hotel.
Der Autorin ist mit ihrem Roman eine tolle Studien zu menschlichem Verhalten gelungen. Von der Unfähigkeit zu Lieben, über die Seilschaften innerhalb eines Team bis zu missglückten Fluchtversuchen aus einem verkorksten Leben ist echt alles dabei. Allein der Spannungsbogen ist nicht so ausgeprägt, wie ich das von einem Krimi erwartet hatte. Insgesamt jedoch ein unterhaltsamer Roman, den man auch gut lesen kann, wenn man die 8 Vorgängerteile nicht gelesen hat. Ein Genuss für Leser mit einem Faible für ungewöhnliche Sprachstile.