Nett, aber nicht so witzig wie erhofft

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rebekka Avatar

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Die Sozialanthropologie gilt als Wissenschaft der kulturellen und sozialen Vielfalt – oder allgemeiner als „Wissenschaft vom Menschen in der Gesellschaft“. Sie analysiert die soziale Organisation des Menschen, was üblicherweise heißt: der Anthropologe beobachtet Menschen fremder Kulturen und zieht seine Schlüsse daraus. David Slattery hat sich nun den Spaß gemacht, das eigene Volk zu analysieren, was nicht ganz leicht gewesen sein dürfte. Denn die eigenen Macken realisiert man ja bekanntermaßen selbst zuletzt.
Herausgekommen ist eine „Anleitung zum Irischsein“, die den Leser häufig zum Schmunzeln, gelegentlich zum Lachen, und manchmal (wenn auch glücklicherweise selten) zum Gähnen bringt. Nach der Lektüre dieses Buches wissen wir jetzt, wie man durch Irland reist, ohne allzu viel anzuecken. Man gibt in der Kneipe jedem ein Bier aus, verhält sich auf Beerdigungen zurückhaltend, rechnet bei Bauarbeiten mit dem Schlimmsten und muss doch wissen: Als Hereingeschneiter hat man keine Chance, jemals als Ire akzeptiert zu werden. Nun ja.
„Die Aufgabe des Volkskundlers ist es, Kuriositäten im Verhalten bloßzulegen“, schreibt Slattery in seinem Vorwort, und genau das fehlt mir in diesem Buch. Das, was er als „Irischsein“ bezeichnet, findet man so auch in vielen anderen ländlich geprägten Nationen. In Bayern verhält man sich bei Beerdigungen sicherlich ähnlich wie im County Sligo, unfähige Bauunternehmer und merkwürdige Patienten gibt es wahrscheinlich auch in Frankreich und was das Verhalten sämtlicher Beteiligter vor und bei Hochzeiten betrifft haben die USA nicht nur in Irland, sondern weltweit einen unseligen Einfluss gehabt. "Kuriositäten" tauchen nur in Slatterys humorvoll beschriebenen Erlebnissen auf, die ziemlich unwahrscheinlich klingen, dafür aber zum Lachen reizen. Die Analyse gerät ihm dagegen mitunter etwas langatmig und allzu wissenschaftlich. Hier wäre ein „Mehr davon, aber viel kürzer“ wünschenswert gewesen.
Vieles fehlt mir auch. Was ist mit der vielgepriesenen Musikalität der Iren? Was mit ihrer poetischen Ader? Ihrer tiefen Gläubigkeit? War dieser Bereich keine Untersuchung wert oder wurden wir festlandeuropäischen Irland-Liebhaber all die Jahre mit falschen Informationen versorgt?
Das Buch ist insgesamt recht nett. Aber so witzig, wie man es sich nach dem ersten Kapitel erhofft, ist es leider nicht.