Ein hin und her von positiven und negativen Eindrücken. Ich kann keine eindeutige Empfehlung geben!

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wauwuschel Avatar

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Shaes Mutter wurde ermordet und um das Rätsel zu lösen und Antworten zu finden, reist sie zu den Barden, welche mit Worten Beschwörungen aufsagen können. Dort findet sie unglaubliches über sich und das ganze Land heraus.



Ich bin sehr zwiegespalten, was das Buch angeht. Der Klappentext und das Cover machen neugierig und als Fantasy-Fan sind meine Erwartungen dann natürlich dementsprechend hoch. Das Thema mit den Beschwörungen und der Gefährlichkeit der Worte und dem Schreiben ist eigentlich ganz gut gelungen. Die Barden sind die mächtigen im Land, das merkt man sofort, da sie mit Beschwörungen dem Volk helfen können, wenn diese genügend Beiträge in Form von Gemüse, Wolle, etc. leisten. Für mich eine wunderbare Grundlage, aber diese wurde nicht ausreichend genutzt. Zum einen weiß ich nach dem Lesen immer noch nicht, was es jetzt genau mit den Beschwörungen auf sich hat, woher diese Magie kommt und warum und wie man das genau kann. Das Grundkonzept ist da und auch die Art des Beschwörens ist interessant, mehr aber auch nicht, weshalb ich denke, dass die Autorin nicht weit gedacht hat und dieser Roman wahrscheinlich einer der ersten ist. Es kommen Irritationen auf, wie es beispielsweise sein kann, dass Shae mit dem Sticken Beschwörungen herstellen kann. Warum macht das dann nicht jeder, wenn solche Beschwörungen viel stärker sind? Eine weitere Ungereimtheit ist das Verbot von Büchern, einzelnen Begriffen und dem Schrieben. Man merkt sofort, dass manche Worte wie „Mord“ nicht laut ausgesprochen werden dürfen. Auch sind Schriften und Bücher gefährlich, aber inwiefern? Und warum lernen die Barden dann lesen, verbieten es aber den Bürgern? Natürlich kann es sein, dass im zweiten Roman Antworten gelieferte werden, aber solche Grundideen muss man schon von Anfang an klarstellen. Das war mein größter Kritikpunkt. Dennoch sind die Beschwörungen an sich und die Macht der Barden faszinierend, vor allem, was sie damit alles machen können.

Auch Shae war mir vor allem am Anfang nicht sehr sympathisch. Sie hat viel Leid erlebt, da ihre gesamte Familie tot ist und ihre Freunde sich von ihr abwenden und nicht die Wahrheit herausfinden wollen und das tut mir auch leid. Aber sie ist ziemlich naiv und egoistisch, da sie die anderen mit hineinzieht und alles für die Wahrheit geben würde. Eigentlich eine gute Eigenschaft, aber als sie plötzlich ins hohe Haus eindringen wollte, was der mächtigste Ort ist, haben ihre Reaktionen für mich keinen Sinn mehr gemacht. Natürlich ist sie deprimiert und wütend, aber direkt so einen Aufstand anzuzetteln ist ziemlich übertrieben. Auch während ihrer Ausbildung und dem Training hat sie nur im Kopf, ihre Mutter zu rächen und bricht dafür sogar in unerlaubtes Gebiet ein. Sie sollte sich Zeit lassen und nicht direkt jeden verdächtigen. Sie ist nicht die intelligenteste Person und lässt sich schnell an der Nase herum führen, aber sie durchläuft eine starke Entwicklung. Aus dem anfänglichen von Selbstmitleid und Trauer geprägten Mädchen, wird eine starke Protagonistin, die ihren Teil beiträgt und sich für die richtige Seite entscheidet. Es kam zwar erst ganz am Schluss, aber immerhin wurde es erwähnt. So ist sie mir am Ende doch ans Herz gewachsen und hat mich überzeugt. Auch ihre Kindlichkeit war irgendwie süß.

Andere interessante Charaktere, wie Cathal, Kennan und Ravod, waren auch ein Grund, den Roman weiterzulesen. Der Oberbarde Cathal scheint der einzige zu sein, der Shae glaubt und sich ihrer annimmt. Ich muss sagen, dass es sehr gut durchdacht war, das Problem ist, dass ich schon eine Menge ähnlicher Bücher gelesen habe und daher Cathals Absichten sofort erkannt habe. Andere hätte man überzeugen können, aber für mich war das zu offensichtlich. Der Hass, den Kennan gegenüber der Protagonistin hat, ist tatsächlich am besten gelungen, sodass diese tiefgehende Person mir am besten gefallen hat. Auch hier war das Ende im Bezug zu Kennan klar, aber es hat mich überzeugt. Ravod ist der distanzierte und gefühllose Mann, für den die Protagonistin heimliche Gefühle hegt und das ist ein ziemliches Klischee. Ich habe nach dem ersten Zusammentreffen gehofft, dass sie sich nicht annähern, sondern einfach nur Lehrer und Schüler oder Kollegen sind. Viel Klarheit habe ich nicht bekommen und vor allem der letzte Abschnitt hat mich verwirrt, es hat aber auch mein Interesse geweckt, da ich unbedingt die Beweggründe Ravods herausfinden möchte.

Ein guter Grund, warum man den Roman lesen sollte, auch wenn ich so viele negative Sachen gesagt habe, ist die Gefühlsgewalt und der Spannungsbogen. Der Roman sprudelt vor Emotionen nur so und jede einzelne hat mich auch erreicht. Es ist doch ein sehr ausdrucksstarker Roman mit einer nicht zu leugnenden Präsenz. Außerdem wurde es nach dem schwierigen Anfang auch immer spannender und im speziellen das Training in den verschiedenen Fertigkeiten ist gelungen. Shaes besser Werden wird immer interessanter, da sie nicht mehr so hilflos ist, wie am Anfang. Ein wichtiger Punkt, der eine überraschend große Rolle spielt, ist der Wahnsinn und wie Shae mit dem Gedanken umgeht. Auch wir als Leser können genauso wenig wie die Protagonistin schätzen, was Wahnsinn oder Wirklichkeit ist. Dieses schwankende Spiel hat dem Roman den gewissen Kick gegeben, der einem Gänsehaut beschert. Es ist intensiv und man selbst ist in dieser Spirale gefangen.

Ich denken nach meinen Schilderungen sollte jeder selbst entscheiden, ob er oder sie das Buch lesen möchte oder nicht. Ich kann keine eindeutige Empfehlung geben, aber ich würde es auch niemandem abraten!