Idee hatte großes Potential, ABER...

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nathi_taiwan Avatar

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Bücher sind gefährlich.
Tinte kann tödlich sein.

Durch diese spannende Prämisse auf das Buch aufmerksam geworden, war ich von den ersten Seiten des Buches begeistert. Eine mysteriöse Krankheit, die sogenannte Fleckenkrankheit, grassiert durchs Land und fordert viele Opfer. Denn Tinte macht die Leute krank.

Leider – und das ist leider nur das Erste von vielen „leider“ – versteht man über weite Strecken des Romans nicht, wann genau man diese ominöse Fleckenkrankheit bekommt. Wenn man ein verbotenes (von den Herrschern zensiertes) Wort sagt? Wohl kaum, sonst wäre unsere Protagonistin Shae von Anfang an erkrankt. Wenn man etwas schreibt? Kaum möglich in einem Land, in dem nur sehr wenige Menschen die Schrift beherrschen.

Diese Unklarheit betrifft – leider – viele Aspekte des Romans. Bis zum Ende des Buches hin habe ich nicht verstanden, wie Magie in dieser Welt genau funktioniert. Und warum auf einmal so viele Menschen hinter dem „Buch der Tage“ her sind, was als unauffindbar gilt. Wie es dazu kam, dass die Barden herrschen und Worte zensieren. Wer dazu bestimmt ist ein Barde zu sein. Warum es hauptsächlich Männer sind, die diese Gabe besitzen. All diese Fragen wurden meiner Meinung nach nicht ausreichend aufgearbeitet. Es wirkte häufig so, als ob die Autorin in ihren 400 Seiten zig verschiedene Themen diskutieren wollte – von der Macht der Worte, Fake News, Zensur, patriarchale Herrschaftsstrukturen, Magie, Familie, Freundschaft, Liebe, etc. Das war einfach zu viel für einen Auftaktband einer Dilogie. Viele Szenen wirkten daher „unvollständig“ und endeten ganz abrupt.

Auch zu Shae konnte ich – leider – keine Beziehung aufbauen. Ihre Hilflosigkeit und Verzweiflung zu Beginn das Buches (früher Verlust des Bruders und des Vaters; Leben in Armut und Abhängigkeit) konnte ich gut nachvollziehen; ihre Reaktion auf den Tod ihrer Mutter war entsprechend heftig. Aber danach kam es emotional leider gar nicht bei mir ein, wie sehr sie trauert oder was in ihr gerade vorgeht. Kurz darauf zerbricht ihre Freundschaft zu ihren beiden engsten Freunden – und sie denkt im Anschluss nur noch an ein, zwei Stellen im Buch an jene. Shaes Gefühlsleben wirkt dementsprechend unauthentisch. Besonders gestört hat mich jedoch ihre Naivität, die sie ihn mehrere ungünstige Situationen gebracht hat und die nicht wirklich zu einem Mädchen passt, was schon so viel Verlust in ihrem Leben erfahren hat.

Alles in allem kann ich diesem Jugendroman leider nur 2,5 Sterne geben. Viele Fragen wurden mir nicht detailliert und ausgefeilt genug beantwortet, vieles einfach zu sprunghaft und schnell abgehandelt. An vielen Stellen habe ich gedacht, dass dieser Roman besser geworden wäre, wenn man ihm 200 Seiten mehr gegeben hätte, insbesondere Shaes Reise zum Hohen Haus und ihre Ausbildung. Dann hätte man ihre innere Entwicklung besser begreifen und mitverfolgen können. Schade, das Buch hatte doch so viel Potential.