Erfrischend ehrliche Liebesgeschichte jenseits der Klischees

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kleinfriedelchen Avatar

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"Zuerst sah ich gar nichts, nur Staub, der im Licht tanzt. So ein Streifenstrahl. Sonne. Wie ein Scheinwerfer. Und mittendrin das Mädchen auf dem Sofa. Konnte mich nicht wehren, das Bild brannte sich direkt in mein Hirn: Das Mädchen, vornübergebeugt, umarmt sich selbst, den Kopf gesenkt, das Gesicht hinter den Haaren versteckt. Im Licht schweben Staubkörnchen, es sieht aus, als wären sie durch unsichtbare Fäden miteinander verbunden. Als wäre alles in der Welt miteinander verbunden, so kommt es mir in diesem Moment vor, alles passt, nur die Schuhe des Mädchens passen nicht, die lächerlichsten Schuhe der Welt. Und genau das passt auch wieder, auf eine Art, dass mir schwindlig wird." (S. 67)

Als die junge Schauspielerin Lilly die Chance erhält, die Synchronstimme der weiblichen Hauptdarstellerin in einem Hollywood-Blockbuster zu sprechen, kann sie ihr Glück kaum fassen. Nicht nur die neue Erfahrung, sondern auch der Film, in dem es um eine abenteuerliche, romantische Liebesgeschichte geht, begeistern Lilly. Weniger begeistert ist sie jedoch von ihrem Synchronpartner Ben. Zynisch und chronisch unzuverlässig, hält er sowohl von dem Film als auch von Neuling Lilly so gar nichts. Dabei entwickelt sich zwischen ihnen doch selbst eine absolut hollywoodreife Geschichte...

Manchmal geht man mit bestimmten Erwartungen an ein Buch heran, und wenn diese nicht erfüllt werden, ist man enttäuscht. Manchmal jedoch bekommt man etwas anderes als man erwartet hat und ist davon positiv überrascht. So ging es mir bei diesem Buch. Erfrischend ehrlich und mit zwei sympathischen Erzählstimmen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, hat sich mir hier eine Liebesgeschichte geboten, die mit den üblichen Klischees bricht.

Zuerst lernen wir Lilly kennen. Als Tochter eines Konsuls führt die junge Schauspielschülerin ein gutbetuchtes Globetrotter-Leben, was ihr jedoch kaum egaler sein könnte. Immerhin musste sie gerade erst erfahren, dass ihr Ex sich verlobt hat, in den sie immer noch verliebt ist. Ablenkung bringt da die neue Herausforderung als Synchronsprecherin für das jüngste Hollywood-Starlet. Leider brilliert Lilly da nicht ganz so sehr wie sonst auf der Bühne, was ihr Synchronpartner Ben sie auch immer wieder spüren lässt. Ben hält so gar nichts von der süßen, aber naiven Anfängerin, die sich vom Chauffeur zum Studio bringen lässt, während er vor lauter Geldproblemen jeden Tag zur Arbeit laufen und sich vor seinem Vermieter verstecken muss. Und doch kommen sie sich langsam in der Dunkelheit der Synchronkammer immer näher...

Ich mochte beide Charaktere wirklich sehr, denn sie lassen sich nicht in eine bestimmte Schublade stecken, sondern beweisen Vielschichtigkeit. Lilly zeigt schnell, dass hinter ihr weit mehr steckt als ein reiches Töchterlein, dem alles zufliegt. Durch die ständigen Umzüge aufgrund des Jobs ihres Vaters, aber auch aufgrund ihres Schauspieltalents, hat Lilly keine wirklichen Freunde oder engen Beziehungen, und diese Einsamkeit merkt man ihr auch von Anfang an an. Ben ist ebenso einsam, seit er seine Familie hinter sich gelassen hat. Ben hat schon einige Enttäuschungen in seinem Leben erlebt und sich eine zynische Abwehrhaltung zugelegt, um nichts an sich ranzulassen. Ihn hätte ich zwar gern zwischendurch mal ordentlich geschüttelt und ihm die Meinung gegeigt, wenn er wieder einmal in den Abwehrmodus schaltet und Lilly und seine Umwelt vor den Kopf stößt. Aber so ganz unverständlich war sein Verhalten auch nicht.

Ich fand es schön zu sehen, wie Ben langsam seine Vorurteile und Lilly ihren Liebeskummer überwindet und die beiden zueinanderfinden. Das geschieht bedächtig und nicht Knall auf Fall, weshalb es sich sehr realistisch gelesen hat. Was mir aber ebenso gefallen hat, war, dass das Buch weitaus ernster und weniger vorhersehbar war, als man es vom Klappentext her vermuten mochte. Ich hatte mit einer sommerlich romantischen Komödie gerechnet und bekam doch viel mehr. Geldsorgen, Vernachlässigung, Vorurteile, Liebeskummer, das Gefühl, ganz allein zu sein - all das wird in diesem Jugendbuch glaubhaft thematisiert.

Hinter Cleo Leuchtenberger stecken gleich zwei Autorinnen, von denen eine Drehbuchautorin ist, was dafür gesorgt hat, dass wir neben einer romantischen und realistischen Jugendgeschichte auch Einblick in die verborgenen Abläufe einer Filmproduktion erhalten und erleben, wie die Synchronisation eines Films abläuft. Das fand ich wirklich spannend und dass wir ganz nebenbei noch eine zweite Geschichte zu lesen bekommen, nämlich in der Form der Handlung des Hollywood-Films, fand ich auch cool :-)

Mein Fazit: Diese Geschichte hat mir weit mehr als erwartet geboten und konnte mich mit ihrer Mischung aus Gefühlen und Realismus überzeugen. Ernster als ich angenommen hatte, ist dieses Jugendbuch doch gleichzeitig auch was für's Herz und bietet romantische Herzschmerz-Lesestunden. Liebe Cleo Leuchtenberg, beim nächsten Buch bin ich definitiv wieder mit dabei! :-)