Persönliche Albträume und kollektive Ängste

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### Stephan M.Rother: Ich bin der Herr deiner Angst

**Kurzbeschreibung bei amazon**

«In unserem Job bekommt man eine Menge Tote zu sehen. Das Bild aber, das sich uns hinter der Tür im ‹Fleurs du Mal› bot, wird mich bis an das
Ende meines Lebens begleiten. Viele unserer Leichen sehen so aus, als
würden sie schlafen. Das war hier nicht der Fall.» Ein in jeder
Hinsicht verstörender Mord führt die Ermittler Jörg Albrecht und Hannah
Friedrichs ins Hamburger Rotlichtviertel: Das Opfer war ein Kollege, und
es wird nicht das letzte sein. Die Taten nehmen an Grausamkeit zu. Und
alle haben sie mit den dunkelsten Geheimnissen der Opfer zu tun, ihrer
größten Angst. Irgendwann keimt in Albrecht eine Erinnerung: Der
Traumfänger-Fall. Seit dreißig Jahren schlummert er in den Akten. Seit
dreißig Jahren sitzt der Täter in der Psychiatrie. Wie es scheint, hat
der Alptraum gerade erst begonnen...

**Persönliche Beurteilung**

Der Roman ist in einen Prolog, die eigentliche Erzählung mit diversen, den Prolog gewissermaßen fortsetzenden "Zwischenspielen" und einen Epilog gegliedert. Der Prolog schildert das deprimierende Leben eines älteren Mannes, der in der heruntergekommenen Hamburger Hafengegend in einem Wohnwagen lebt, ein nervliches Wrack ist und sich nur nachts aus seinem Versteck traut.
Der Hauptteil wird von zwei alternierenden Erzählsträngen getragen: Kommissarin Hannah Friedrichs tritt als Ich-Erzählerin auf, parallel dazu erlebt der Leser die Ermittlungen aus der Sicht ihres Chefs, des Hauptkommissars Jörg Albrecht, wobei hier eine Erzählung in der dritten Person vorliegt.
Albrecht und Friedrichs ermitteln in einer Mordserie, die zunächst die Beamten der Hamburger Polizei zum Ziel zu haben scheint. Zwei Kollegen sind auf ebenso originelle wie grausame Weise ermordet worden. Albrecht, der seit seiner Kindheit einen durch ein tragisches Ereignis hervorgerufenen Schuldkomplex mit sich herumschleppt, hält sich selbst für den eigentlichen Adressaten des Mörders, der ihm -wie er meint - seine Unzulänglichkeit vor Augen führen will. Als jedoch weitere Morde geschehen, denen auch Menschen außerhalb von Albrechts Abteilung zum Opfer fallen, entwickelt er eine neue Theorie. Die Todesarten der Opfer entsprechen Situationen, die den kollektiven Ängsten der Menschheit entsprechen. Das erinnert Albrecht an den Fall des "Traumfängers", der jedoch seit Jahrzehnten inhaftiert ist, bzw. in einer geschlossenen Abteilung sitzt. Der Psychologe Freiligrath hatte sich seinerzeit durch teuflische Manipulationen am Tode mehrerer Menschen schuldig gemacht, ohne auch nur einen von ihnen direkt zu töten. Aufgrund seiner Inhaftierung kann er in der neuen Mordserie nicht der Täter sein, aber es scheint Albrecht offensichtlich, dass die gegenwärtigen Morde mit der alten Serie in direktem Zusammenhang stehen. Deshalb versucht er, Freiligrath zur Mithilfe im aktuellen Fall zu veranlassen, kann sich jedoch der Manipulation durch den hochintelligenten Mann nicht entziehen.

Der Beginn des Romans lässt einen typischen, bluttriefenden Thriller über eine Mordserie erwarten. Im weiteren Verlauf wird die Spannung allerdings immer wieder durch die fast schon philosophisch anmutenden Gedankengänge von Jörg Albrecht gebremst, denen zu folgen mir manchmal etwas ermüdend schien. Thematisch hat mich das Buch sehr angesprochen, die Handlung ist intelligent konstruiert und lädt auch zu Diskussionen in Leserunden/Literaturzirkeln ein, dennoch hätte der Mittelteil meiner Meinung nach geraffter präsentiert werden können.
Zum Schluss hin nimmt die Handlung wieder deutlich an Spannung zu und bietet auch eine weitgehende Klärung der Zusammenhänge mit einem möglichen Cliffhanger im Epilog. Wie realistisch die dargestellten Sachverhalte sind, kann ich nicht beurteilen, diese Frage wäre aber interessant, mit einem Psychologen zu erörtern. ![](http://www.vorablesen.de/modules/fckeditor/fckeditor/editor/images/smiley/msn/wink_smile.gif)

"Ich bin der Herr deiner Angst" ist ein ambitionierter Psychothriller, der nicht dem klassischen Serienmörder-Schema folgt und nicht ganz ohne Längen ist. Für Leser, die gern psychologische Hintergründe von Verbrechen erfragen, gebe ich eine Leseempfehlung.

Ich vergebe 3,5 Sterne.