Ich bin Tess

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disasterrecovery Avatar

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Leila ist irgendwie seltsam. Sie arbeitet online als Software-Testerin und verbringt auch die meiste ihrer privaten Zeit im Internet. Sie findet dort Anschluss in einem merkwürdigen pseudo-philosophischen Forum.
Durch ihre Beiträge zu diversen Themen, wird sie schnell anerkannt und alsbald vom Guru (Adrian) des Forums höchstpersönlich zu einem privaten Treffen aufgefordert. Adrian kommt bei dem Treffen sehr schnell auf Tess zu sprechen und unterbreitet Leila sofort das Angebot, Tess Leben zu übernehmen. Die Gegenleistung dafür ist Geld. Leila steigt ohne groß zu überlegen darauf ein und das hat mich echt stutzig gemacht. Klar ist sie einsam und ein Nerd, aber so viel gesunden Menschenverstand, dieses Angebot abzulehnen, hätte ich ihr schon zugetraut.
Tess fand ich zu Beginn ziemlich großkotzig und nervig, allerdings hatte sie mein vollstes Verständnis und Mitgefühl, denn sie ist manisch depressiv und hat schon einige Therapien hinter sich.

"Wenn ich auf Medikamenten bin, fühle ich mich halbwegs ausgeglichen, aber eben bloß auch halb lebendig. Ich existiere nur noch vor mich hin, mein ganzes Feuer und meine Kreativität sind verloschen." (S. 73)

So ganz nachvollziehen konnte ich weder das Verhalten von Tess, noch das von Leila, denn mir kam diese Idee einfach unlogisch vor. Aber Tess sagt ja selbst von sich, dass Logik nicht gerade ihre Stärke ist (das erklärt einiges ^^). Nachdem ich mich damit abgefunden hatte, konnte ich mich endlich auf die Geschichte einlassen.
Als Tess sich in einem Brief auf ihre unvergleichlich tessige Art vorstellt, habe ich plötzlich ihre abgrundtiefe Traurigkeit und Verzweiflung gespürt und ehe ich mich versah, war sie mir sympathisch, trotz all der komischen Dinge, die sie tut.
Leila hätte ich einfach mehr Grips zugetraut, sie merkt erst viel zu spät auf was sie sich da eingelassen hat. Sie verliert den Bezug zur Realität und macht sich selbst etwas vor. Irgendwie hatte ich Mitleid mit ihr.
Ein klein bisschen erhebt die Autorin am Ende den Zeigefinger, in dem sie am Beispiel von Leila verdeutlicht, dass das wahre Leben offline stattfinden sollte. Damit kann ich leben.

Fazit:
Jeder, der den Klappentext gelesen hat, weiß worauf er sich hier einlässt. Ich finde die Umsetzung wirklich gelungen. Das Ende ist offen und bietet Raum für Spekulationen, das hat mir wirklich am besten gefallen. Ich habe keinen Zweifel daran, das soetwas da draußen wirklich passiert.

4 von 5 Sternen