Trina bleibt

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Ich bleibe hier, Roman von Marco Balzano, EBook 197 Seiten, erschienen im Diogenes Verlag.
Balzanos Geschichte ist eine Geschichte des Widerstands und der engen Verbundenheit mit der Heimat.
Trina ist eine junge Frau aus Graun im Vinschgau, sie will Lehrerin werden, doch Mussolini und die Italianisierung Südtirols kamen dazwischen, es durfte kein deutscher Unterricht mehr stattfinden so konnte Trina keine Anstellung als Lehrerin bekommen, alles bekam italienische Namen und die deutsche Sprache war verboten, die Faschisten verfolgten diese Vorschriften mit bitterer Härte. Trina heiratet und bekommt Kinder, doch als der 2. Weltkrieg beginnt, wird ihr Erich eingezogen, sie flieht mit ihm in die Berge, um seinem Dienst in der Wehrmacht zu entgehen. Eine Region in der Faschismus und Nationalsozialismus direkt aufeinanderfolgen. Als der Krieg vorbei ist, beginnt der Bau des Stausees, der immer wieder aufgeschoben wurde. Politisches und ökonomisches Interesse wird durchgesetzt, ohne dass die Bevölkerung etwas dagegen ausrichten kann. Viele gehen fort, aber Trina bleibt hier.
Das Buch ist mir in erster Linie, wegen des gut gewählten Coverbildes aufgefallen. Bei unseren Reisen nach Südtirol, sind wir schon oft am Reschensee vorbeigekommen, in dem der Kirchturm des überschwemmten Dorfes Graun aus dem Wasser ragt. In Zukunft werde ich diese Touristenattraktion mit anderen Augen betrachten. Am Anfang ist eine Karte eingezeichnet, die ich aber beim EBook nicht nutzen konnte. Der Plot ist in 3 Teile aufgeteilt: 1. Die Jahre, 2. Die Flucht, 3. Das Wasser. Innerhalb dieser Teile gliedert sich der Roman in diverse überschaubare Kapitel, die mit Kapitelzahlen versehen sind. Balzanos Landschaftsbeschreibungen ziehen den Leser hinein in diese Erzählung. Er bedient sich des Personalen Erzählstils aus Sicht der Protagonistin, Trina erzählt ihre Geschichte, die ihrer Angehörigen und die ihres Dorfes so, als schreibe sie Briefe, die an ihre Tochter gerichtet sind. Von der Charaktertiefe der Protagonistin und der anderen Figuren bin ich beeindruckt. Jeden einzelnen Charakter, ein Beispiel - die des Ingenieurs mit Hut, konnte ich mir bildhaft vorstellen. Mir hat sehr gut gefallen, wie der Autor seine Figuren in die Handlung integriert hat, so authentisch glaubhaft, dass man meint, genauso ist es auch passiert – lebendig und flüssig zu lesen.
An einem Tag habe ich das Buch gelesen, ich konnte den Reader kaum aus der Hand legen, in der Zwischenzeit hat mich das Gelesene nicht losgelassen. Auch nach der Lektüre wird mich das Buch noch eine Zeit lang beschäftigen, es hat mich auch zu weiteren Recherchen angeregt. Immer wieder haben mich einzelne Szenen oder Sachverhalte erschüttert, zu Tränen gerührt oder nachdenklich gemacht. Nie wieder werde ich am Reschensee vorbeikommen, ohne an das unsägliche Leid und die Ungerechtigkeit zu denken, das den Bewohnern von Reschen und Graun widerfahren ist. Den beschriebenen kleinen Friedhof oberhalb des Dorfes in den die Toten umgebettet wurden habe ich selbst schon besucht. Die Geschichte Südtirols fasziniert mich schon lange, dies ist ein wichtiger Abschnitt davon. Die heimlichen „Deutschschulen“ nach dem ersten Weltkrieg kannte ich von den Erzählungen unseres „Gastgeber-Uropas“. Ein wahrlich schmerzliches Kapitel in der Geschichte Italiens. Der Roman erzählt über den jahrhundertelangen Kampf der Bergbewohner um ihre Heimat und über ihr hartes Leben. Die Geschichte der Bewohner Südtirols und besonders der Orte Graun und Reschen, wird in diesem wunderbaren Buch anschaulich und nachvollziehbar anhand der Lebensgeschichte Trinas erzählt. Berührend und nachdenklich machend. Eine absolute Lese- und Kaufempfehlung, von mir 5 wohlverdiente Sterne.