Traumata in einem gespaltenen Land

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Obwohl auch ich in Dresden geboren bin und seit 2003 wieder hier lebe, hatte ich von Samuel Meffire bisher nichts gehört. Umso gespannter war ich auf seinen Lebensbericht.

Wenn man am Tag der eigenen Geburt einen Elternteil verliert, ist das noch nicht unmittelbar traumatisch. Doch das Trauma entwickelt sich um einen herum. Im Fall von Meffire war es der Vater, der möglicherweise einem heimtückischen rassistischen Attentat zum Opfer fiel. Das Trauma befiel die Mutter, die ihre Wut am kleinen Samuel ausließ. Bei den mütterlichen Großeltern erlebte Samuel ein paar Jahre einer fast unbeschwerten Kindheit, wurde ihr jedoch wieder entrissen, bevor er erwachsen werden konnte.

Die Wendezeit war so etwas wie eine Zeit des chancenhaften Neuanfangs. Doch für einen Dunkelhäutigen wie Samuel auch die Zeit, in der die Menschen um ihn nicht mehr farbenblind waren. Er erlebte viel Rassismus, setzte sich dem als Türsteher in der Dresdner Neustadt aber auch immer wieder selbst aus. Dann versuchte er es als Polizist. Dann gründete er eine Art schlagkräftige Bürgerwehrtruppe.

Es kam, wie es kommen musste: Er legte sich mit den falschen Leuten an, flüchtete fast in den Tod, stellte sich und musste sieben Jahre absitzen.

Während der Schilderung all dessen erlebt man einen höchst unsicheren Menschen, der Anschluss sucht und mitmacht, um dazuzugehören. Dazwischen lernt er Frauen kennen, verliebt sich, vergeigt es aber irgendwann immer. Bis auf die eine, die auch in seiner Zeit im Gefängnis zu ihm hält. Sie und die beiden Kinder sind heute Samuels Lebensanker.

Fazit: Die Geschichte von Samuel Meffire ist für einen Lebensbericht geradezu poetisch. Zuweilen trieft sie mir ein wenig zu sehr vor Selbstmitleid. Deshalb ein Stern Abzug. Auch wenn er unschuldig auf die Welt kam und viel Leid erfahren hat, ist er für seine Lebensentscheidungen selbst verantwortlich. Doch dafür hat er gebüßt und mit Hilfe seines Psychiaters seine Traumata aufgearbeitet. Es ist ihm zu wünschen.