Interessant aber zu überschwelgend

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matze08645 Avatar

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Rina, 48 Jahre und erfolgreiche TV-Produzentin, seit acht Jahren mit Jakob zusammen, zwei Kinder, wird wegen eines Tumors zwischen Herz und Lunge operiert. Dabei verliebt sie sich in Dr. Eres Green, ihren Chirurgen und er sich in sie. Er ist zwar verheiratet und hat eine Tochter, aber seine Ehe besteht schon lange nur noch auf dem Papier. Zumindest sagt er das und Rina, verliebt wie ein Teenager, glaubt es ihm natürlich, ist der leicht übergewichtige, nicht sehr groß gewachsene Mann doch ihr strahlender Held, den sie geradezu vergöttert.
Jakob nimmt es ganz gelassen hin, dass Rina so von Eres schwärmt. Von Eifersucht oder gar Misstrauen nicht die geringste Spur.
Eres (der sich übrigens zuerst in die Schönheit ihrer inneren Organe verliebt hat) selbst ist nicht viel besser, bei diesem Dialog war ich kurz davor, das Buch wegzulegen: Rina fragt ihn, was er mit ihrem Herzen angestellt habe. Eres antwortet: "Ich habe meinen Namen hineingeritzt. Ganz im Ernst. Mit der elektrischen Nadel habe ich meine Initialen in dein Herz geritzt. Dass du es nur weißt: Nun stehe ich für immer in deinem Herzen."
Meine Toleranzgrenze für Kitsch und unrealistische Liebesgeschichten ist ja sehr hoch, aber das war dann selbst für mich ein bisschen viel. Zumal Eres so absolut nicht als der Held rüberkam, als den Rina ihn sieht. Er lügt und betrügt, ist rücksichtslos in seinem Handeln, benutzt Rina, wie es ihm gerade in seine Pläne passt.
Rina dagegen lässt sich das alles gefallen, hat für jede Verfehlung ihres Helden eine neue Ausrede und übersieht sämtliche Hinweise, dass da irgendetwas wohl gewaltig nicht stimmt. So begleitet sie ihn auf einer Reise, die für sie ein ziemliches Desaster wird, lauert auf seine Anrufe und ist er mal da, ist sie sofort zu allem bereit.

Die Handlung des Buches weckt Erinnerungen an 'Die weiße Massai' von Corinne Hofmann; auch darin verliebt sich eine erwachsene, erfolgreiche Frau Hals über Kopf in einen Mann, der wenig Traummann-Qualitäten hat und wirft ihr gesamtes bisheriges Leben für diesen Mann über Bord, was dann heftig schief geht.
Immerhin: Rina Frank hat einen recht guten Schreibstil, auch wenn mich gestört hat, dass die wörtliche Rede nie in Anführungszeichen gesetzt wurde. Die Geschichte an sich aber ist einfach nur schlimm. Schlimm, mit welcher Naivität die eigentlich intelligente und fest im Leben stehende Rina alles für Eres tut und sich mit 48 Jahren in einen schwärmenden Teenager verwandelt. Der Titel trifft es somit absolut perfekt ' mehr Augen schließen als Rina es tut geht gar nicht.
Als positiv sei noch zu bemerken, dass die Autorin einige wirklich schöne ' wenn auch leider sehr kurze ' Nebenhandlungen mit eingeflochten hat. Da zeigt sie dann wirklich, dass sie großes Schreibtalent besitzt, was sie allerdings aus der Hauptgeschichte gemacht hat, ist echt kaum zu ertragen. Fast 300 Seiten Rinas nicht nachvollziehbares Geschwärme für einen Typen, der es absolut nicht verdient hat und der einzig und allein nur an seine eigenen Interessen denkt.
Eine Personenentwicklung fand nicht statt, weder bei Rina (die aber zumindest ganz am Schluss dann um eine Erkenntnis reicher ist), schon gar nicht bei Eres und auch bei den anderen (die aber sowieso nur kleine Nebenfiguren sind) nicht. Besonders Jakob blieb superblass und wirkte dermaßen treudoof, dass er schon reichlich unrealistisch ist.