Liebe, Zusammenhalt, Verlust
Hanna, Zeyna und Cem sind zusammen in einem wirtschaftlich etwas abgehängten Wohnviertel im Ruhrgebiet aufgewachsen. Sie sind als Kinder unzertrennlich. Hanna und Zeyna werden schnell allerbeste Freundinnen, sind fast wie Schwestern. Cem muss häufig den Puffer zwischen den Mädchen geben. Hanna und Zeyna wachsen beide ohne Mutter auf. Zwischen Zeyna und Hannas Großmutter Felizia entwickelt sich deshalb ein sehr liebevolles Verhältnis. Auch Zeynas Vater Nabil verbindet direkt eine ganz enge Freundschaft mit Hannas Großvater Theo. Auf allen Ebenen Wahlverwandschaften also.
Als sie erwachsen werden, bleibt Cem im Ruhrgebiet, Hanna und Zeyna gehen weg. Zwischen Hanna und Zeyna kommt es durch ein als dramatisch empfundenes Ereignis zum Bruch.
Als ihre geliebte Großmutter Felizia stirbt, kommt Hanna zurück, zieht in die Wohnung der Großeltern. Hanna ist nach der gemeinsamen Kindheit nie wieder woanders richtig angekommen, sie bringt viel Einsamkeit mit, stolpert außerdem in die Corona-Lockdowns und versucht verzweifelt, wieder mit Zeyna in Kontakt zu kommen.
Rasha Khayat erzählt hier eine vielschichtige Geschichte. Vordergründig scheint das Buch nur von Hannas Suche nach ihrer Freundin Zeyna zu handeln, von ihren Erinnerungen an die gemeinsame Zeit. Tatsächlich dreht sich aber ganz viel um Hannas tiefe Liebe zu ihrer Großmutter, und um die Eifersucht, die Hannas Verhältnis zu Zeyna unterschwellig prägt. Es geht auch um das Leben und Aufwachsen in abgehängten Wohnvierteln, um relative Armut und soziale Ungleichheit, um Migration und Rassismus, um die Bewältigung von Verlusten, um Verbundenheit und Zugehörigkeit und ganz viel um Freundschaft, Familie und Wahlfamilie. Dennoch ist die Erzählung aber nicht überladen, nur wenige dieser verschiedenen Aspekte werden ausdrücklich angesprochen - sie sind einfach nur da.
Khayat hat hier ein tolles Buch geschrieben, atmosphärisch dicht und voller Gefühl, zugleich modern und anspruchsvoll. Besonders spannend fand ich, dass die Erfahrungen und die Weltsicht von Einwandererkindern und Menschen mit Fluchterfahrung thematisiert werden, auch vor dem Hintergrund von Nine Eleven und den gesellschaftlichen Auswirkungen des damit begründeten sog. War on Terror. Außerdem ist es das erste Buch, das ich lese, das die Pandemie nicht übergeht oder sie nur am Rand streift, sondern sie im Gegenteil ausdrücklich thematisiert - das finde ich super: kein Totschweigen und Verdrängen.
Das Buch bringt also deutlich mehr als erwartet, lässt dafür aber in anderer Hinsicht Leerstellen. Denn wenn ich mit ein paar Stunden Abstand über das Gelesene nachdenke, wundert mich, dass der eigentlich allgegenwärtige Alltagsrassismus in den 1980er/90er Jahren im Leben der drei keine Rolle gespielt hat, dass der Neonazianschlag von Mölln die erste Rassismus-Erfahrung für sie gewesen sein soll. Kann ich mir nicht ganz vorstellen, aber ok, die Geschichte wird ja aus der Sicht von Hanna erzählt, nicht von Zeyna und Cem. Das Ereignis, das zum Zerwürfnis zwischen Hanna und Zeyna führte, schien mir in der Relation eher belanglos, deshalb fehlt mir ein bisschen das Verständnis für den harten Cut - zugleich dann auch für den Ausgang der Geschichte. Und dann wüsste ich sehr gern mehr darüber, woher Hannas offensichtliche Unfähigkeit zur Bindung an andere Menschen als ihren ganz engen Kreis kommt. Obwohl die Erzählung ansprechend ist und auf den ersten Blick nichts fehlt, hätte ich mich im Ergebnis über ein bisschen mehr Unterfütterung zu ihrer Persönlichkeit und den Persönlichkeiten aller anderen Charaktere gefreut.
Trotz der kleinen kritischen Anmerkungen: Leseempfehlung. Das Buch zieht eine:n mit seiner Komplexität, Dichte und Emotionalität in seinen Bann - ich habe es innerhalb weniger Stunden verschlungen.
Als sie erwachsen werden, bleibt Cem im Ruhrgebiet, Hanna und Zeyna gehen weg. Zwischen Hanna und Zeyna kommt es durch ein als dramatisch empfundenes Ereignis zum Bruch.
Als ihre geliebte Großmutter Felizia stirbt, kommt Hanna zurück, zieht in die Wohnung der Großeltern. Hanna ist nach der gemeinsamen Kindheit nie wieder woanders richtig angekommen, sie bringt viel Einsamkeit mit, stolpert außerdem in die Corona-Lockdowns und versucht verzweifelt, wieder mit Zeyna in Kontakt zu kommen.
Rasha Khayat erzählt hier eine vielschichtige Geschichte. Vordergründig scheint das Buch nur von Hannas Suche nach ihrer Freundin Zeyna zu handeln, von ihren Erinnerungen an die gemeinsame Zeit. Tatsächlich dreht sich aber ganz viel um Hannas tiefe Liebe zu ihrer Großmutter, und um die Eifersucht, die Hannas Verhältnis zu Zeyna unterschwellig prägt. Es geht auch um das Leben und Aufwachsen in abgehängten Wohnvierteln, um relative Armut und soziale Ungleichheit, um Migration und Rassismus, um die Bewältigung von Verlusten, um Verbundenheit und Zugehörigkeit und ganz viel um Freundschaft, Familie und Wahlfamilie. Dennoch ist die Erzählung aber nicht überladen, nur wenige dieser verschiedenen Aspekte werden ausdrücklich angesprochen - sie sind einfach nur da.
Khayat hat hier ein tolles Buch geschrieben, atmosphärisch dicht und voller Gefühl, zugleich modern und anspruchsvoll. Besonders spannend fand ich, dass die Erfahrungen und die Weltsicht von Einwandererkindern und Menschen mit Fluchterfahrung thematisiert werden, auch vor dem Hintergrund von Nine Eleven und den gesellschaftlichen Auswirkungen des damit begründeten sog. War on Terror. Außerdem ist es das erste Buch, das ich lese, das die Pandemie nicht übergeht oder sie nur am Rand streift, sondern sie im Gegenteil ausdrücklich thematisiert - das finde ich super: kein Totschweigen und Verdrängen.
Das Buch bringt also deutlich mehr als erwartet, lässt dafür aber in anderer Hinsicht Leerstellen. Denn wenn ich mit ein paar Stunden Abstand über das Gelesene nachdenke, wundert mich, dass der eigentlich allgegenwärtige Alltagsrassismus in den 1980er/90er Jahren im Leben der drei keine Rolle gespielt hat, dass der Neonazianschlag von Mölln die erste Rassismus-Erfahrung für sie gewesen sein soll. Kann ich mir nicht ganz vorstellen, aber ok, die Geschichte wird ja aus der Sicht von Hanna erzählt, nicht von Zeyna und Cem. Das Ereignis, das zum Zerwürfnis zwischen Hanna und Zeyna führte, schien mir in der Relation eher belanglos, deshalb fehlt mir ein bisschen das Verständnis für den harten Cut - zugleich dann auch für den Ausgang der Geschichte. Und dann wüsste ich sehr gern mehr darüber, woher Hannas offensichtliche Unfähigkeit zur Bindung an andere Menschen als ihren ganz engen Kreis kommt. Obwohl die Erzählung ansprechend ist und auf den ersten Blick nichts fehlt, hätte ich mich im Ergebnis über ein bisschen mehr Unterfütterung zu ihrer Persönlichkeit und den Persönlichkeiten aller anderen Charaktere gefreut.
Trotz der kleinen kritischen Anmerkungen: Leseempfehlung. Das Buch zieht eine:n mit seiner Komplexität, Dichte und Emotionalität in seinen Bann - ich habe es innerhalb weniger Stunden verschlungen.