Dunkel bis tiefschwarz

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
laberlili Avatar

Von

Anfangs habe ich mich sehr schwergetan, mich in die Handlung einzufinden: Die vorangestellten Stränge "Davor" und "Danach" wusste ich nämlich nicht so recht einzuordnen und ebenso war es verwirrend, um wen es da nun ging. ("Danach" wäre übrigens, chronologisch betrachtet, eines der letzten Kapitel des Buchs, während "Vorher" wirklich den Beginn des ganzen Dramas meint.
Erst nach einigen abwechselnd von Jody und Mags erzählten Kapiteln und vor Allem, nachdem Mags in der Wohnung ihres Bruders angekommen ist, wurde die Handlung für mich fassbarer, obschon mir vor Allem Jody weiterhin dubios erschien. Mags war zwar sicherlich auch nicht everybody's darling, aber ich mochte sie in ihrer Toughness doch ganz gerne; zudem erschien sie mir relativ vertrauenswürdig in dem Sinne, dass sie und Abe schon lange keinen großen Kontakt zueinander gepflegt hatten, sie im Ausland lebte und von daher unverdächtig war und man als Leser an ihrer Seite quasi mitenträtseln wollte, was tatsächlich mit Abe geschehen war.
Als Leser hat man dabei den Vorteil, bald auch von der Nachbarin Mira erzählt zu bekommen, welche die Wahrheit zu kennen scheint, sie aber nicht auszusprechen wagt: Da entspinnt sich ein sehr komplexes Nachbarschaftsgerüst, welches letztlich aber gut nachvollziehbar blieb - auch wenn Mira ebenfalls nicht alles weiß/wusste.

(Anfang Absatz mit Spoiler aufgrund Trigger-Gefahr)
Rückblenden in eine Kindheit, von der man bald annimmt, hier handele es sich um Jodys Vergangenheit, sind immer wieder eingestreut und wirken mitunter irritierend, wenn just jemand ganz Anderes als Erzähler auftrat; zudem sind sie sehr belastend und bedrückend.
Achtung, nun folgt ein kleiner Spoiler, weil die Geschichte da doch mit starker Triggergefahr einhergeht: In diesem Roman wird Kindesmissbrauch/Kinderhandel/Kinderprostitution ebenso wie Vergewaltigung (auch von älteren Jugendlichen/Erwachsenen) thematisiert; wen diese Themen ggf. emotional stark berühren und belasten, der sollte unbedingt die Finger von diesem Psychothriller lassen!
(Ende Absatz...)

Als Leser ist man zur Konzentration aufgefordert, denn auch wenn sich die Figuren und damit die diversen Erzählstimmen grundsätzlich stark voneinander unterscheiden, genügt bis zuletzt doch ein kleiner Moment der Unaufmerksamkeit, um sich da zu vertun; man muss also durchaus sehr tief in die Erzählung eintauchen und dadurch fällt es auch schwer, die unangenehmen Szenen möglichst schnell zu überlesen: Da muss man immer befürchten, Grundlegendes zu versäumen.
Auch der Inhalt macht "Ich soll nicht lügen" eher zu einem Roman für Leser, die eher hart im Nehmen sind und sich nicht so leicht schocken lassen. Das ist sicher einer der düsteren Psychothriller!