Ein Wolf unter Wölfinnen

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alexandros Avatar

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Ich habe mich lange sehr schwer damit getan, dieses Buch zu rezensieren, weil ich so hin und her gerissen bin. Einerseits ist es eine gute Geschichte: Ein kleiner Junge wird fälschlicherweise für ein Mädchen gehalten und in ein Bordell verkauft. Dort fällt der Irrtum natürlich schnell auf. Doch er bleibt dort, wird größer und hilft nach und nach im Haus, in der Küche und später auch in der Stadt, bis er schließlich doch zu einem Prostituierten wird resp. einem Wolf unter Wölfinnen.

Wölfin, so werden die Prostituierten in der römischen Antike genannt. Und hier befinden wir uns im 4. Jahrhundert n.Chr. in der südspanischen Provinz, in der Stadt Carthago Nova. Der kleine Junge, dem die Menschen um ihn viele Namen geben, gibt sich selbst seinen geheimen Namen "Sperling", denn er projiziert seine Sehnsucht nach Freiheit auf den kleinen Vogel.

Während der Geschichte, die aus der Sicht des Jungen erzählt wird, lernen wir mit ihm seine Umgebung kennen. Die Wölfinnen sind seine Mütter und Lehrerinnen. Sie teilen sein Schicksal, und sind natürlich trotzdem anders als er. Audo, der Herr des Hauses und "Dominus", der Herr des Hausherrn, sind die Tyrannen, die es zu überwinden gilt. All das ist gut und durchaus authentisch geschrieben.

Dennoch gibt es ein großes Manko, was für mich das Lesevergnügen etwas schmälert. Die Erzählung ist ein Bericht des älteren Sperlings, der mittlerweile irgendwo in Britannien lebt und dort in einer Bibliothek schreibt. Alle paar Seiten wendet sich der Ich-Erzähler an seine möglichen Leser, von denen er glaubt, dass es sie nie geben wird. Das ist eine Art Mantra, das mir mehr und mehr auf die Nerven ging. Außerdem stört es die Erzählung, unterbricht die Handlung. Bis zu dem Punkt, ab dem es für mich fast unerträglich wurde.

Fazit: Die Idee ist gut, der Unterbau authentisch, die Begebenheiten bildhaft erzählt. Das Schicksal des Wolfs unter Wölfinnen kann sich so abgespielt haben. Die sprunghaften Adressate an den Leser empfand ich als störend. Im Ganzen jedoch gut und durchaus empfehlenswert.