Menschliche Abgründe

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Darum geht's:

Roy Opgard lebt in seinem Elternhaus am Rande eines kleinen Ortes in den norwegischen Bergen und betreibt eine Tankstelle. Als nach vielen Jahren sein jüngerer Bruder Carl wieder in den Heimatort zurückkommt und mit seiner Frau bei Roy einzieht, kommen Dinge in Gang, die lange Zeit vergessen schienen. Doch knapp unter der friedlichen, ländlichen Oberfläche brodelt ein Gemisch aus Gier, Liebe, Hass und Mord.

So fand ich's:

Jo Nesbøs Serienheld Harry Hole gehört zu meinen Lieblingen und ich fiebere jedem neuen Band entgegen. Nun war ich sehr gespannt auf den neuen Roman Nesbøs, der nichts mit der Harry Hole Serie zu tun hat. Um es gleich vorweg zu nehmen: auch ohne Harry Hole konnte Jo Nesbø mich absolut überzeugen.

Roy Opgard erzählt aus seiner Perspektive die Geschichte seiner Familie und speziell von ihm selbst und seinem Bruder Carl. Regelmäßig verheimlicht er uns Details, die mit einiger Verzögerung offenbart werden und plötzlich die Dinge in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Manchmal etwas lakonisch und damit umso schockierender berichtet Roy über seine regelmäßigen Prügeleien und selbst Mord findet sich in der scheinbaren Dorfidylle. Jede Menge Rafinesse und Entschlossenheit besitzen einige der Personen im Buch und das führt zu Kämpfen mit harten Bandagen. Jeder kocht sein eigenes Süppchen, doch die Opgard-Brüder scheinen unzertrennlich zu sein, selbst als Carl seine Frau Shannon mit auf den Hof bringt.

Die Spannung ist eher subtil und doch schafft es Nesbø, mich über die fast 600 Seiten bei der Stange zu halten und zu fesseln. Zwischendurch gab es für mein Empfinden einen Teil, der etwas zu ruhig daher kam, der sich aber dann nur als Verschnaufpause erwies, bevor der Reigen aus Intrigen, Betrug und Egoismus, einem hartnäckigen Dorfpolizisten, alten und neuen Liebschaften, brüderlicher Loyalität und einem gewagten Hotelprojekt, das die Dorfgemeinschaft kollektiv ruinieren oder zu reichen Leuten machen kann, wieder mit neuem Schwung startet.

Ich bin begeistert von der Art, wie Jo Nesbø die Erzählung gestaltet hat, die den Harry Hole Romanen nicht unähnlich ist. Natürlich würde ich sehr gerne weiter von Harry Hole lesen, aber mit diesem Buch, das für sich alleine steht, hat Jo Nesbø für genauso packende Unterhaltung gesorg und uns mit schaurig-schönem Vergnügen in menschliche Abgründe schauen lassen.