Der Tod des Qalunaat

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mammutkeks Avatar

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Auftakt für einen ganz besonderen Krimi ist der Tod von Felix Wagner, der im ewigen Eis auf einer Expedition hinterrücks erschossen wird. Führerin dieser Expedition ist Edie Kiglatuk, eine Inuk-Jägerin und Teilzeitlehrerin, die nicht damit einverstanden ist, dass der Mord von dem Ältesten des Ortes unter den Tisch gekehrt werden soll. Denn ihr ist klar, dass es kein Unfall war, der ursächlich für den Tod des qalunaat war, des Weißen, Südlers, der seine wahren Absichten verschleiert hat.

Denn nach diesem ersten Toten gibt es weitere Unfälle bzw. einen Selbstmord, die Edies Misstrauen erregen und dazu führen, dass sie langsam aber stetig weitere Nachforschungen anstellt. Ganz im Gegensatz zu David Pallister, dem Polizisten, der für den kanadischen Teil der Arktis zuständig ist.

Langsam ist auch das Erzähltempo von Melanie McGraths Debütroman. Sie legt viel Wert darauf, über das Leben der Inuit zu erzählen, über die Probleme mit Alkohol, mit der Dunkelheit und der Kälte, über die zwischenmenschlichen Beziehungen, die auch nicht viel anders funktionieren als im Westen. Auch das - ab und an sehr gewöhnungsbedürftige - Essen spielt eine große Rolle. Denn wer möchte schon Blutsuppe kosten oder das Gedärm von Robben und Co. Ähnlich unappetitliche Vorstellungen wie die getrockneten Fische, die in vielen Küchen dieser Welt eine große Rolle spielen.

Dabei erscheinen genau diese Passagen gut recherchiert - wobei mir ehrlich gesagt, die Vergleichsmöglichkeiten und Kenntnisse fehlen. Angesichts der Probleme, die McGrath mit ihrer Krimihandlung hat, bleibt aber die Frage, ob ein anderes Genre nicht sinnvoller gewesen wäre - vielleicht sogar ein entsprechendes Sachbuch?! Sie siedelt "Im Eis" in der Tradition des skandinavischen Krimis an, und bringt eine große Portion an Gesellschaftskritik mit und entwickelt ein ausführliches Soziogramm der Arktis, das mir gut gefällt.

Allerdings gibt es im Krimibereich des Romans zu viele Zufälle, Edie ist leider auch eine Heldin, die urplötzlich zu viel kann, zu viel erfährt und zu viel erreicht. Dabei wird die ganze Dimension des Falls für die Umwelt und die Menschen gar nicht klar ausgeführt.

Insgesamt ein ungewöhnlicher Roman, der nicht einfach wegzulesen ist. Probleme haben mir vor allem die vielen ungewohnten Begriffe aus dem Inuktitut bereitet sowie die Namen - mal werden nur die Vornamen genutzt, dann nur Nachnamen, dann Spitznamen oder der vollständige Name, so dass immer ein kurzes Überlegen notwendig war, um wen es sich denn nun handelt. Zumal die Namen auch teilweise unaussprechlich sind. Aber das ist eine lässliche Eigenheit, die den insgesamt positiven Eindruck des Romans nur minimal einschränken. Aber "Im Eis" ist ein Roman, auf den man sich einlassen muss, den man mit Muße lesen muss - auch, um sich durch zu viel Hektik und zu viel Schnelligkeit nicht zu stark zu erhitzen, um sich nicht zu erkälten.