Eiskristall

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wal.li Avatar

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 Als Führerin begleitet Edie Touristen durch die Eislandschaft des Nordmeers. Als Halb-Inuit und Jägerin kennt sie sich auf der Insel Craig bestens aus, so dass Touren dorthin meist ihr zugewiesen werden. Allerdings stellen sich die Weißen oft ziemlich dämlich an, wenn es darum geht sich im ewigen Eis zu behaupten. Doch selbst Edie, die schon einiges erlebt hat, ist äußerst schockiert als einer ihrer beiden Kunden während der Tour angeschossen wird und an den Folgen der Verletzung stirbt. Noch schockierter ist sie jedoch als die Ältesten die Sache als unglücklichen Unfall abtun, damit der Tourismus nicht gestört wird. Die Sache rumort weiter in Edie und sie beginnt nachzuforschen, ob das dann wirklich so gewesen sein kann. Als der zweite der Kunden dann mit einer anderen Tour an den Ort des Geschehens zurückkehrt, will Edie nun gar nichts mehr auf sich beruhen lassen. Nun wird sie der Sache auf den Grund gehen.

Voll cool, diese Edie. Hartnäckig, verbiestert, schlau, gerissen und dabei doch sympathisch, weil ihre Beweggründe so nachvollziehbar. Ja, sie birgt zwei Naturen, die gegen einander kämpfen. Die Inuit und die Weiße. Die Inuit, die die Dinge so nimmt wie sie sind und sich nicht so viele Sorgen macht. Die Weiße, die selbstbewußt auftritt, auf ihre Rechte pocht. Die Jägerin, die nicht aufgibt. Die Säuferin, die angesichts des Schicksals schwach wird. Und - sie steht immer wieder auf. Sie lässt nicht locker, wo die anderen schon längst ihren Frieden wollen und die Dinge einfach hinnehmen da bohrt sie gegen alle Widerstände nach. Wie stelle ich mir Edie vor, klein, rundlich, energisch. Eine Aushilfslehrerin, die versucht den Inuit-Kindern zu einer besseren Zukunft zu verhelfen, mit Bildung, mit Ausbildung. Eine vielschichtige Persönlichkeit, die das Eis kennt. Die minus 20 Grad für mildes Wetter hält. 

Die besonderen Gegebenheiten der vereisten, eisigen Welt der Edie werden anschaulich geschildert. Schilderungen, mit denen sich an einem warmen Sommertag fast schon Abkühlung verschaffen kann. Die Landschaft ersteht vor den Augen des Lesers. Hilfreich dabei ist auch die im Buchdeckel abgedruckte Karte, die dem Ortsunkundigen (wie mir) etwas Orientierung verschafft. 

Die Krimihandlung ansich ist gut durchdacht und überraschend. So fern der bekannten Zivilisation und doch so normal stellen sich die Probleme der Bevölkerung mit der Kriminalität dar. Natürlich gibt es ein paar kulturelle Eigenheiten, doch insgesamt ist zum Glück doch wieder zu bemerken, im Grunde sind wir alle gleich mit unseren Träumen, Wünschen, Problemen, Sorgen und Nöten. Da muss eben auch manchmal die Polizei eingreifen, wobei diese hier erst nach und nach Interesse an dem Fall gewinnt, da die erwähnten Ältesten gerne das Mäntelchen des Stillschweigens über alles decken wollen. So hilft die Polizei zunächst nur, in dem sie Edies Nachforschungen nicht behindert. Bei der Polizei handelt es sich hier hauptsächlich um Derek, der sich für Lemminge und seinen Liebeskummer interessiert. Ein weiterer etwas verschrobener Charakter.

Insgesamt ein tolles Buch, das genau in mein Lesemuster passt. Denn als Kind des Sommers habe ich zu meiner eigenen Überraschung festgestellt, dass mich eisige Bücher zu faszinieren vermögen. Wenn das Ganze dann noch mit einer deftigen Krimi-Mischung gewürzt ist, kann mir fast nichts besseres passieren. Und hier kommt tatsächlich alles zusammen, das ewige Eis, die ewige Helligkeit, die ewige Dunkelheit, karge Landschaften,ein spannender Krimi und sympathische, sehr menschliche Protagonisten. Was will man als Leser mehr? Band zwei vielleicht? Das wäre schön.