Abtauchen im kalten Wasser

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anneteekanne Avatar

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Cover:
Das Wasser des Freibads mit den abgetrennten Bahnen. Schlicht und passend.

Die Sprecher:
Cathlen Gawlich ist eine angenehme Vorleserin. Sie zieht einen in die Geschichte hinein und schenkt ihr Leben.
Ich finde immer, man muss sich mit der Geschichte und dem Erzähler wohlfühlen, sie müssen zueinander passen und dies ist hier der Fall.

Zur Geschichte:
Brixton ist im Wandel, die ganzen kleinen Läden haben es schwer zu überleben. Die Gegend hat bereits viel verloren und nun soll auch noch das Freibad geschlossen werden und einem privaten Fitnessclub mit Tennisanlage weichen. Warum? Weil es im Winter zu kalt ist und die Besucherzahlen dann zurückgehen.
Rosemary möchte die Schließung verhindert und findet in der Journalistin Kate eine Verbündete.

Meine Meinung:
Als das Hörbuch begann, dachte ich an eine Episodengeschichte und habe überlegt, ob ich mir alle Namen und Figuren (auch die Namenlosen) merken sollte. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich das nicht brauchte, denn alle tauchen wieder auf, immer wieder. Deshalb waren die kleinen Geschichten aus dem Bad auch sehr schön. Die sorglosen Schwimmschüler, die Schwangere, der Buchhändler, der Bademeister. Es sind so viele, die kurz erwähnt werden, deren Leben mit dem Freibad verbunden sind und diese Menschen tragen die Geschichte.
Aber es ist auch Rosemarys Geschichte. Zwischendurch erinnert sie sich daran, wie es war, als sie vor achtzig Jahren anfing ins Freibad zu gehen. Wie morgens zu schwimmen zu ihrem Ritual wurde. Welche Abenteuer sie mit George, ihrem verstorbenen Mann im Freibad erlebt hat.
Und es ist die Geschichte von Kate, der kleinen grauen Maus.
Kate ist fast schon ein wenig tragisch. Sie fühlt sich mit Mitte zwanzig völlig verloren. Nicht wie erhofft hat Kate in London ganz viele Freunde, Glück und Erfolg gefunden, als sie nach dem College aus ihrer Kleinstadt wegzog. Kate hat gar nicht gefunden und versteckt sich vor dem Leben. Sie hat merkwürdige Mitbewohner (WG) von denen sie kaum etwas weiß und andersherum ist es genauso. Ihre Einsamkeit ist fast schon schmerzhaft und “alle“ anderen scheinen in ihren Augen haben Spaß, zumindest wenn man den sozialen Medien glauben schenken kann. Kate ist prädestiniert für den Schwimmbad-Kampf, sie sucht nach dem Sinn, sie sucht Trost, sie sucht nach Menschen, denen es genauso geht und sie findet eine Freundin, die 87 Jahre alt ist und ihre Angst erkennt. Rosemary zwingt Kate sich der Angst zu stellen, neue Wege zu beschreitet und Kate blüht auf, sie fängt an zu leben und ihr Leben zu genießen, zu gestalten und wird immer mutiger.

Es ist eine leise Geschichte, die aber nicht vor sich hin plätschert. Sie spiegelt das Leben wider, die Geduld, die man mitbringen muss, die Enttäuschungen, die man erlebt. Ich mag die normalen Geschichten, denn die Mitwirkenden haben dort Zeit sich zu entwickeln und sich und andere oder anderes zu entdecken.

Fazit:
Lesenswerte Geschichte, ein Hörgenuss.