Ganz unaufgeregt, aber voller Kraft

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sonnenblumeberlin Avatar

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Was wäre, wenn man an einem entscheidenden Punkt im Leben eine völlig andere Richtung eingeschlagen hätte? „Im Leben nebenan“ widmet sich genau dieser Frage. Der Roman ist leise und gleichzeitig voller emotionaler Wucht. Er erzählt von Entscheidungen, Hoffnungen, vom Frausein und vom Wunsch nach einem erfüllten Leben.

Toni wünscht sich ein Kind. Gemeinsam mit ihrem langjährigen Partner Jakob sieht sie sich bereit für diesen Schritt. Sie träumt davon, schwanger zu sein, eine Familie zu gründen und Teil dieser Gemeinschaft von Müttern zu werden. Doch als der Kinderwunsch unerfüllt bleibt, Fehlgeburten folgen und ihr Körper sie immer wieder enttäuscht, beginnt ihr Lebensentwurf zu bröckeln. Eines Morgens wacht sie auf und findet sich in einem anderen Leben wieder. In ihren Armen liegt ein Baby. Sie ist Mutter. Der Vater ist Adam, ihre Jugendliebe. Wie ist sie hier gelandet und was bedeutet dieses Leben für sie?

Anne Sauer lässt zwei Lebensrealitäten nebeneinander existieren. Antonia lebt als Mutter mit Adam, während Toni, ihre alternative Version, kinderlos mit Jakob zusammenlebt. Beide Frauen durchlaufen sehr unterschiedliche Erfahrungen, geprägt von gesellschaftlichen Erwartungen, persönlichen Zweifeln und ganz individuellen Sehnsüchten. Diese parallele Erzählweise gibt dem Roman Tiefe und lädt dazu ein, eigene Entscheidungen zu hinterfragen, ohne eine davon als richtig oder falsch zu bewerten.

Ich fand besonders stark, wie ehrlich und facettenreich der Kinderwunsch thematisiert wird. Die emotionale Wucht, der körperliche Kampf, der gesellschaftliche Druck. Anne Sauer schildert das Muttersein nicht als heile Welt, sondern als einen Zustand, der erfüllt, aber auch überfordern kann. Gleichzeitig macht sie deutlich, dass auch ein Leben ohne Kind voller Liebe, Nähe und Sinn sein kann.

Der Schreibstil ist ruhig und berührend. Ganz unaufgeregt, aber voller Kraft. Viele Sätze bleiben hängen, weil sie so viel sagen, ohne laut zu sein.

Ein stilles, kraftvolles Buch über Mutterschaft, Selbstbestimmung und die Wege, die wir gehen oder eben nicht gehen.