Gedankentiefe trifft erzählerische Unschärfe

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nayezi Avatar

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Anne Sauers „Im Leben nebenan“ ist ein ruhiger, eindringlicher Roman, der sich intensiv mit dem Thema Mutterschaft auseinandersetzt - und das auf eine sehr facettenreiche Weise: Die Autorin schafft es, unterschiedliche Lebensrealitäten sichtbar zu machen. Besonders beeindruckt haben mich die erzählerische Gestaltung und die prägnanten Erlebnisströme, die emotional nachhallen und viele nachdenkliche Momente auslösen. Die leise, fast meditative Erzählweise macht es möglich, sich tief auf die Gedanken- und Gefühlswelt der Figuren einzulassen.

Trotz dieser Qualitäten konnte mich das Ende nicht überzeugen. Es bleibt zu vage und ließ mich unbefriedigt zurück. Auch wenn offene Schlüsse durchaus ihren Reiz haben können, hätte ich mir hier mehr Klarheit gewünscht. Was mich zudem störte: Eine der gezeigten Lebensvarianten wirkt am Ende dann doch deutlich „glücklicher“ als die andere - was dem vorherigen Versuch des Balanceakt, verschiedene Lebensentwürfe nebeneinander stehen zu lassen, leider die Wirkung nimmt. Statt Raum zur freien Deutung blieb bei mir also das Gefühl zurück, dass eine Entscheidung doch vorgezeichnet wird.

Fazit: „Im Leben nebenan“ ist ein feinfühlig erzählter Roman über Mutterschaft, Identität und Lebensentwürfe, der in seiner Form überzeugt und lange nachklingt. Für Leser:innen, die offene Erzählstrukturen und reflektierte Themen schätzen, bietet das Buch viel Stoff zum Nachdenken - auch wenn das Ende etwas an Wirkung verschenkt.