Cybermobbing mit jeder Menge Politik

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wacaha Avatar

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Leopold „Lemming“ Wallisch ist schockiert: Gerade eben ist Mario, der Freund seines Sohnes, den er nach Hause begleiten wollte aus der Straßenbahn gesprungen und hat sich von der Brücke in den Tod gestürzt. Was bringt einen Zehnjährigen dazu, sich selbst umzubringen? Da Marios letzter trauriger Blick seinem Smartphone galt, ist sich der Lemming sicher, dass eine Botschaft im Internet Mario zu seiner verzweifelten Tat getrieben hat. Wallisch begibt sich gemeinsam mit dem befreundeten Kommissar Polivka in die Tiefen des World Wide Webs und findet Schockierendes über Cybermobbing und Denunziation in sozialen Netzwerken heraus. Bevor die beiden aber richtig mit der Ermittlung beginnen können werden auch sie zum Opfer des WWW – schließlich war Wallisch der Letzte, der Mario lebend gesehen hat. Und so dauert es nicht lange, bis auch der Lemming Opfer eines großangelegten Shitstorms wird.

Mit dem Thema der Gefahren des Internets und dessen Auswirkung auf das nicht-virtuelle Leben greift der Autor ein sehr aktuelles Thema auf und stellt es – wenn auch ein wenig mit erhobenem Zeigefinger – realitätsnah dar. Schockierend wird aufgezeigt, wie man auch als unschuldige Privatperson in einen Shitstorm geraten kann und wie hilflos man angesichts dessen ist.
Slupetzkys Schreibstil ist schwer zu definieren. Teilweise ist die Erzählung sehr dicht, innerhalb kurzer Zeit geschieht sehr viel und es kommen zahlreiche neue Personen hinzu, so dass es dem Leser schwer fällt, den Überblick zu behalten. An anderen Stellen zieht sich die Handlung, am Ende überschlagen sich hingegen die Ereignisse. Außerdem gab es für meinen Geschmack etwas zu viele „Zufälle“, so haben z.B. die Ermittler innerhalb eines Tages mehrere voneinander unabhängige Personen gefunden, die ähnliches erlebt haben und deren Spuren auf denselben Täter zurückführen. Schwierig fand ich auch die deutsch-österreichische Sprache, einige Wörter waren mir nicht bekannt und auch beim Schreibstil merkt man die unterschiedliche Grammatik im Satzbau vom deutschen zum österreichischen. Gut gefallen hat mir indes der clevere Wortwitz, der zwischen den Zeilen zu finden war sowie die subtil und indirekt ausgedrückten Aussagen hinter den Worten.

Die Figuren waren teilweise sehr schrullig und nicht unbedingt sympathisch, der Protagonist an einigen Stellen weltfremd und eigenbrötlerisch. Auf mich wirkt es zudem seltsam, dass er „entmenschlicht“ wurde, indem er immer nur mit Artikel als „Der Lemming“ bezeichnet wurde.

An sich mag ich Bücher, die aktuell gehalten sind und eine Botschaft beinhalten. Beim „Netz des Lemming“ hat dies aber meine Grenzen überschritten, es war einfach zu viel an Gesellschafts- und politischer Kritik aus Sicht des Autors beinhaltet. Teilweise war diese sehr subtil und geschickt verpackt, so dass ich durchweg das Gefühl hatte, es soll Einfluss auf die den Leser ausgeübt werden. Die aktuellen politischen Geschehnisse in Österreich waren ein großes Thema im Buch, für Leser anderer Länder, die nicht tief versiert mit den dortigen Geschehnissen sind, ist es daher schwer auseinanderzuhalten, was Fakt und was persönliche Meinung des Autors ist. Leider wird vor lauer Politik und Gesellschaftskritik die Suche nach dem Mörder, die einen Krimi ausmacht, fast etwas an den Rand gedrängt.

Fazit:
Der Autor möchte den Unterhaltungswert eines Krimis mit seiner Sicht auf aktuelle politische Geschehnisse verbinden und hat die Charaktere genutzt, um seine Meinung zu verbreiten. Das hat dazu geführt, dass ich mich als Leser bevormundet gefühlt habe. Des Weiteren kommt keine wirkliche Spannung auf, so dass es für mich leider kein kurzweiliger Kriminalroman war.