Guter Krimi mit viel Politik- und Realsatire

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thirteentwoseven Avatar

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Das Buch "Im Netz des Lemming" zu bewerten, ist gar nicht so einfach. Es hat ganz viele, tolle Facetten. Sympathische, menschliche und ja - auch - wohlerzogene Ermittler. Der Lemming selbst ist ein ganz gefühlvoller und emphatischer, unaufgeregter, gänzlich karriereferner und unangepasster Held. Sein Freund und Co-Ermittler, der Polivka, ist ähnlich, aber etwas sexier. Beide zusammen sind unschlagbar und auch witzig. Viele Szenen sind bühnenreif, was sicher der Karriere des Autors geschuldet ist.
Neben Wortwitz, Humor und lustigen Bildern gibt es aber in erster Linie jede Menge Spannung, überraschende Wendungen und nicht nur eine Leiche, sondern auch ganz viel Blut, was fließt. Außerdem fast nicht zu ertragendes, menschliches Leid. Der Schauplatz des Verbrechens, das schöne Wien, fließt immer wieder ein. Von daher kann man den Krimi getrost auch als Wien-Krimi bezeichnen.

Die Geschichte um den in den Suizid getriebenen, kleinen Mario ist aber nicht nur ein einfacher Fall, sondern er öffnet die Büchse der Pandora, aus der Themen wie Mißbrauch der neuen Medien, Meinungsmache, Lobbyismus, Verfall demokratischer Werte, Fremdenhass und Neo-Nationalsozialismus in seinen übelsten Ausprägungen nur so purzeln. Immer wieder gibt es Passagen, wo die Figuren politisch moralisierend monologisieren. Für eine bessere Welt, mehr Gerechtigkeit, gegen einen Verfall der Werte und die Wahrung der Menschenwürde. Es gibt tagesaktuelle direkte Seitenhiebe auf das politische Geschehen in Österreich, wie z.B. die Ibiza-Affäre. Der Krimi wird KURZzeitig zur Politsatire,erhebt aber auch unüberlesbar den moralischen Zeigefinger, und malt eine (hoffentlich) zu düstere und politisch einseitig gefärbte Zukunft.

Fazit:
Das Buch ist ein toller, spannender (Wien)-Krimi, Vorlage für Slapsticks und pointenreiche Dialoge. Es ist aber auch in höchstem Maße politisch. Der moralische und politisierende Zeigefinger ist mir persönlich manchmal etwas zu viel für einen Krimi. Insgesamt finde ich das Buch jedoch spannend, unterhaltsam und unbedingt lesenswert. Ich kann es nur empfehlen.

Auch würde ich mir wünschen, dass es möglichst viele Menschen erreicht und nicht nur spannende Unterhaltung ist, sondern auch zum Nachdenken anregt.