Hochaktuell

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Der Lemming versteht nur noch Bahnhof, wenn sich sein Sohn Ben mit seinem Freund Mario unterhält. Die beiden Jungs leben einen großen Teil ihrer Zeit im Internet und haben sich eine ganz eigene Sprache angewöhnt.
Als der Lemming durch Zufall gemeinsam mit Mario in den Öffentlichen sitzt, bekommt dieser eine Nachricht auf sein Handy. An der nächsten Station steigt der Junge aus und stürzt sich von einer Brücke. Der Lemming ist fassungslos und entsetzt. Doch niemals im Leben hätte er mit dem gerechnet, was danach kommt. Denn wer glaubt, dass der Tod des Jungen an sich schon tragisch genug ist, der hat keine Ahnung von Ereignissen in Zeiten von Social Media. Über den Lemming bricht eine Welle von Hass und bösartigen Unterstellungen herein, die dramatische Konsequenzen für seine Familie hat. Aber auch Marios Vater und Chefinspektor Polivka, ein Vertrauter des Lemmings, geraten in die Zielscheibe des Mobs.

Wer bei Stefan Slupetzkys „Im Netz des Lemmings“ einen etwas nostalgisch angehauchten Krimi erwartet - was das Cover durchaus auslösen kann -, der liegt völlig falsch. Slupetzky hat einen hochaktuellen Kriminalroman geschrieben, der die großen Herausforderungen unserer Zeit darstellt und dabei im Prinzip mit dem dreckigen Finger in der offenen Wunde reibt.
Zugegebenermaßen ist der Lemming als Protagonist nicht nicht vollständig im 21. Jahrhundert angekommen, aber gerade das erlaubt einen schonungslosen Blick auf die Gesellschaft.

Das Buch nimmt auch Bezug auf aktuelle politische Ereignisse in Österreich. Ich denke, dass ich die meisten Anspielungen verstanden habe, aber so ein paar spezifische Andeutungen sind mir bestimmt durchgegangen. Insgesamt versteht Slypetzky es aber sehr gut, den Leser mitzunehmen und nicht zu viele „Insider“ einzubauen. Dadurch wird das Buch aus meiner Sicht auch in den nächsten Jahren nicht an Aktualität verlieren.

Zu Beginn war ich völlig begeistert und hätte am liebsten gar nicht aufgehört zu lesen. Allerdings wurde es dann irgendwann einfach doch etwas zäh - vielleicht weil Schlag auf Schlag etwas Neues kam - und leider war das Ende aus meiner Sicht viel zu schnell und nicht ganz stimmig. Ich hätte dem Buch ein paar mehr Seiten gegönnt und vielleicht doch einige Aspekte weggelassen. Ich hatte den Eindruck, dass der Autor wirklich so viel wie möglich einbringen wollte. Manchmal ist aber doch weniger mehr.

Nichtsdestotrotz ist „Im Netz des Lemmings“ von Stefan Slupetzky ein sehr guter Kriminalroman, der aktuelle gesellschaftliche und politische Themen in den Blick nimmt. Auch wenn es bereits einige Vorgängerbände gibt, sind diese zum Verständnis aus meiner Sicht nicht notwendig - ich kannte auch keinen. Ein Empfehlung für Fans von klassischen Kriminalromanen, die aktueller Gesellschaftskritik nicht abgeneigt sind.