Interessantes Thema, leider nicht optimal umgesetzt

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romy_abroad Avatar

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Die Zeiten in denen der Lemming als Ermittler gearbeitet hat sind lange vorbei - mittlerweile verbringt er seine Arbeitszeit im Zoo, wo er nachts höchstens den Uhus und den Fröschen lauschen kann. Doch er genießt diesen entspannten Job, hat tagsüber viel Zeit für seinen Sohn und seine Frau und ist insgesamt viel weniger gestresst als früher.
Sein Sohn ist mittlerweile in einem schwierigen Alter, kleidet sich anders, spricht anders, möchte sich von seinen Eltern abgrenzen. Umso mehr freuen die sich, als er mal wieder einen Freund mit nach Hause bringt: Mario. Die beiden verstehen sich scheinbar blendend. Der Lemming und seine Frau wissen, dass Mario in der Schule wegen einer angeborenen Gaumenspalte gehänselt wird. Auch deshalb sind sie stolz, dass ihr eigener Sohn über diese Äußerlichkeit hinweg sieht und in Mario so einen guten Freund gefunden hat, sowie vice versa. Als Mario sich auf den Heimweg macht begleitet der Lemming ihn ein Stück, denn sein Weg zur Arbeit führt ihn in die gleiche Richtung. Gerade unterhalten sich die beiden noch in der Tram, im nächsten Moment springt Mario aus dem Wagen, sprintet über die Straße und stürzt sich von einer Brücke, direkt vor eine einfahrende U-Bahn. Der Lemming bleibt hilflos auf der Brücke zurück - geschockt, mit vielen Fragen, und der Jacke des Jungen, an der er ihn zurückhalten wollte.

Ermittlungen werden aufgenommen und konzentrieren sich zunächst auf den Lemming selbst: Zeugen haben gesehen, wie er den kleine Mario in ein Gespräch verwickelt hat, bevor dieser sich in den Tod stürzte. Man munkelt von Pädophilie, Menschenhandel, zumal der Lemming selbst Ex-Polizist ist - wieso nur? Im Nu hat sich ein Netz um den Lemming gesponnen, aus dem er kaum wieder herauskommt und das es ihm beinah unmöglich macht herauszufinden, was den Freund seines Sohnes tatsächlich in den Tod getrieben hat.

Auf dem Klappentext klang das Thema des Buches spannend: Cybermobbing, dessen Auswirkungen bis in die reale Welt hineinwirken, das von Kindern ausgeht und selbst Erwachsene nicht kalt lässt. Ich hatte darauf gehofft, in die Weiten des Web enführt zu werden, klug, technisch anspruchsvoll und voller Überraschungen. Leider spielt sich das Buch selbst tatsächlich vor allem offline ab. Nur einige wenige Postings spielen eine Rolle, die technische Raffinesse bleibt aus. Stattdessen steht eine Männerfreundschaft im Vordergrund, die geprägt ist von Gesprächen über Politik und Alkohol, von falschen Bärten und Handyklingeltönen. Für mich war das einfach dröge, die Geschichte kam kaum in Schwung, es gab zu wenig relevante und interessante Figuren. Der Lemming bleibt für mich leider farblos; zu wenig erfahre ich als Leserin über seine Gefühle, Beweggründe, Absichten. Manche Handlungsstränge geben etwas mehr her als andere, aber wirklich gefesselt hat mich das Buch nicht. Ich hatte mir wirklich mehr erhofft, diese Hoffnung wurde leider enttäuscht.