Lemming bezieht Position

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Leopold Wallisch, der Lemming, Ex-Kriminseser, Nachtwächter im Tiergarten Schönbrunn, Ehemann, Vater. Stolz ist er auf seinen11-jährigen Sohn Ben, dass dieser sich mit Mario angefreundet hat, einem Buben der sonst keine Freunde zu haben scheint. Doch dann wird der Lemming Zeuge, wie sich der kleine Mario wie aus heiterem Himmel vor eine fahrende U-Bahn wirft. Ein Ereignis, das den Lemming völlig aus der Bahn wirft. Es ist nicht nur das schreckliche Erlebnis, das er zu verkraften hat, nein, er wird auch noch Opfer eines bösartigen Cybermobbings. Denn alle Welt glaubt, er hat den Selbstmord von Mario zu verantworten.
Stefan Slupetzky, der Wiener Autor und Musiker lässt uns nun schon zum sechsten Mal am Leben des Leopold Wallisch teilhaben. Der Lemming ist ein eigentlich ein ganz gemütlicher, lebt zufrieden mit Gattin, der Tierärztin Klara, seinem Sohn, seinem beschaulichen Job. Hin und wieder geht auf ein oder mehrere Gläser mit seinem Ex-Kollegen Polivka in die Wirtschaft. Eine Ruh will er eigentlich haben, um so neumodisches Grafflwerk wie das Internet oder Soziale Medien schert er sich nicht. Nach dem Tod von Mario muss er sich nun aber mit diesem für ihn fremdartigen Metier auseinandersetzen, mit der Missgunst derer, die sich hinter der Anonymität schön verstecken können, mit der geballten Aggression von Trollen, mit den „besorgten Bürgern“, die die Ursache allen Übels der Welt denen zuschanzen, die eh nichts haben, den Flüchtlingen. Und da kann er ganz schön laut werden, beim Nachdenken über den lancierten Unmut durch emporstrebende Politiker allerlei Farben.
Sehr reale Vorbilder nimmt Slupetzky hier aufs Korn, lässt den Lemming ein bisschen Alter Ego spielen. Was den Autor ärgert, ärgert auch den Lemming: der Ausländerhass, die Politik auf Kosten von Minderheiten und sozial Schwachen, aber auch die Verbotskultur der Grünen und die Selbstausschaltung der Sozialdemokratie.
„Im Netz des Lemming“ ist ein sehr aktuelles, persönliches, zorniges, politisches Buch. Darf das denn sein, dass Politik in einem Unterhaltungssgenre Platz findet? Ja, und ob. Wer sich veröffentlicht, kann, darf, muss Position beziehen. Wenn das Buch dann aber auch noch Charme, Witz und Geist hat, erst recht. Gut gemacht, lieber Stefan Slupetzky!