Im Wald, da sind nicht nur die Räuber

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tochteralice Avatar

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Nein im Wald rund um Ruppertshain in Hessen gibt es noch was wesentlich Furchterregenderes: einen Mörder, der offenbar seit über 40 Jahren sein Unwesen treibt. Und da er sich offensichtlich in seinem Inkognito bedroht fühlt, ist - so scheint es - in seiner Umgebung niemand mehr sicher. Alles beginnt mit einem Brand auf einem Campingplatz, bei dem ein Mann ums Leben kommt. Doch es bleibt nicht bei dem einen Toten - wer wusste zuviel? Und was gibt es für eine Verbindung zu überaus tragischen Ereignissen, die mehr als vierzig Jahre zurückliegen. Was ich als besonderen Garant für Spannung empfand, war der Umstand, dass Oliver von Bodenstein in diesem Fall zu seinen Wurzeln zurückkehren muss, denn er ist dort aufgewachsen, zusammen mit allen, die in den aktuellen Fall verwickelt sind. Und für ihn waren die Ereignisse von 1972 besonders einschneidend, verschwand doch damals sein bester Freund.

Wer Wind sät": eine weitere Perle in der Taunus-Reihe der unnachahmlichen Nele Neuhaus. Die Serie um die Kommissarin Pia Sander und ihren Chef Oliver von Bodenstein hat mit herkömmlichen deutschen Regionalkrimis à la Manfred Bomm und Regine Kölpin nichts zu tun und kann mit den skandinavischen Krimiserien von Autorinnen wie Helene Tursten und Anne Holt sowie mit angelsächischen Vorbildern wie Marcia Muller locker konkurrieren - der neue Band reiht sich vielversprechend in diese Serie ein, und kann aus meiner Sicht von der Spannung her absolut mit den Glanzlichtern der Serie "Tiefe Wunden" und "Schneewittchen muss sterben" mithalten. Was aus meiner Sicht nicht unbedingt nötig war: Pia Sander wird ein wenig zu oft von einer extrem unsympathischen Seite gezeigt. Und zudem brechen einfach zu viele Erzählstränge jäh ab.

Dennoch: Nele Neuhaus schreibt packend und fesselnd und zeigt vor allem Oliver von Bodenstein von seiner sensiblen Seite: dadurch, dass sie tief in seine Vergangenheit taucht, kehrt sie sein Innerstes zu außen. Weniges ist, wie es scheint - es tun sich wahre Abgründe und die seltsamsten Verbindungen auf. Was mich ein kleines bisschen störte, ist, dass die Entwicklungen in seinem Privatleben, die der Leser nun ja bereits seit acht Bänden verfolgen darf, sich teilweise als widersprüchlich erweisen - das ist mir ein wenig zu extrem. Aber gerade das macht auch den Reiz dieses auch innerhalb der Reihe ungewöhnlich emotionalen und aufwühlenden Falles aus. Am Ende steht von Bodenstein vor einer Auszeit - ich hoffe sehr, dass er wieder in seinen Job zurückkehrt, denn aus meiner Sicht steht und fällt die Reihe mit ihm ebenso wie mit Pia Sander.

Diese Serie ist ein absolutes Muss für alle Freunde und Freundinnen hochkarätigerdeutscher Krimis mit Spannungsgarantie wie der Reihe um den auch in räumlicher Nähe - nämlich in Frankfurt - angesiedelten Hauptkommissar Marthaler von Jan Seghers. Man kann "Im Wald" sicher isoliert von den anderen Krimis dieser Reihe lesen, doch wird es nur wenige geben, die sich nach dem Genuss dieser Lektüre nicht auch die vorherigen Bände gönnen möchten.