Drei Schwestern und nur eine Liebe

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sternchen1202 Avatar

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Erster Satz:
“Heute heirate ich Alessandro Lang, den berühmten italienischen Dichter.“

Nataša Dragnić wurde 1965 in Split, Kroatien, geboren. Nach dem Germanistik- und Romanistikstudium in Zagreb schloss sie eine Diplomatenausbildung ab. Seit 1994 lebt sie in Erlangen und war viele Jahre als freiberufliche Fremdsprachen- und Literaturdozentin tätig. Ihr Debütroman "Jeden Tag, jede Stunde" fand viele begeisterte Leser und war national wie international ein Bestseller; das Buch erschien in rund 30 Sprachen.

Inhalt:
Die drei Schwestern Roberta, Lucia und Nannina Alessi verbindet nicht nur ihre Liebe zum Meer, sondern auch die große Liebe zu ein und demselben Mann: Alessandro Lang.
Roberta lernt ihn in einem Urlaub mit ihrem Verlobten kennen und verliebt sich Hals über Kopf. Sie und Alessandro beginnen eine Beziehung, die Roberta jedoch nach mehreren Jahren endgültig beendet, als sie erfährt, dass Lucia Alessandro kennen gelernt hat und es ihr verheimlichte. Doch trotz der Trennung liebt Roberta Alessandro immer noch und kommt auch ihr gesamtes Leben nicht von ihm los.
Lucia, die sich vorher nie auf einen Mann festlegen wollte und konnte, erkennt, dass sie sich unsterblich in Alessandro verliebt hat. Sie sucht ihn auf und auch zwischen Lucia und Alessandro beginnt ein Verhältnis, was zum Bruch zwischen den Schwestern führt. Die Eltern versuchen die Familie zusammenzuhalten, scheitern jedoch an ihrem gesundheitlichen Zustand.
Nach Jahren lernt die jüngste Schwester Nannina, die mittlerweile einen Sohn hat, Alessandro kennen und lieben. Doch nur eine der Alessi-Schwestern kann Alessandro am Ende heiraten…

Beurteilung:
Das Buch „Immer wider das Meer“ beginnt und endet mit der Hochzeit einer der Alessi-Schwestern und Alessandro Lang. So beginnt der Roman mit dem Morgen der Hochzeit, der aus Sicht der Braut geschildert wird, und endet mit der Trauung selbst. Jedoch handelt es sich hierbei immer nur um kurze Einschübe, welche die Spannung aufrecht erhalten, indem sie sich durch das gesamte Buch ziehen. Während des Lesens wird der Leser nämlich gezwungen, sich mit der Hochzeit zu befassen, ohne zu wissen, wer denn nun heiraten wird.
Gut gefallen hat mir auch, dass die Handlung nicht nur auf Italien beschränkt ist, sondern auch in San Francisco und München spielt. Die räumliche Distanz zeigt sehr deutlich, wie die Schwestern sich im Laufe des Romans voneinander entfernen und wie sie zueinander stehen.
Zusammen mit den Orten, wechselt in „Immer wieder das Meer“ auch die Perspektive immer wieder. Die meisten Kapitel werden aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschildert, der immer einen Blick auf die gesamte Familie Alessi hat. Die Einschübe der Hochzeit werden aber aus der Sicht der Braut in Form eines Ich-Erzählers wiedergegeben, wobei der Leser erst ganz zum Schluss erfährt, welche Schwester hier erzählt.
Es gibt noch einen weiteren Einschub in jedem Kapitel, der sich meist mit den Eltern, deren schweren Krankheiten und schließlich dem Verlust beschäftigen. Hier wird einmal aus der Sicht des Vaters erzählt, aber auch die Töchter kommen zu Wort.
In den Kapitelteilen, die aus der Sicht eines allwissenden Erzählers erzählt werden, stehen zur Orientierung des Lesers immer der Ort und die Jahreszahl der Handlung in der Überschrift. Somit fällt es leichter, dem Schicksal der Familie Alessi zu folgen.
Dragnićs Sprache und Erzählstil sind sehr außergewöhnlich und ich muss ehrlich gestehen, dass ich gerade von den schnellen Perspektivenwechseln sehr irritiert und auch verwirrt war. Nach den ersten 50 Seiten konnte ich jedoch eine gewisse Regelmäßigkeit erkennen, die mir das Lesen erleichterte. Jedoch fragte ich mich weiterhin, welche handelnde Person welchen Abschnitt erzählt. Desweiteren war mir nicht immer klar, wann genau die Geschehnisse einzuordnen sind. So kann es schon vorkommen, dass Lucia sich an mehrere Ereignisse erinnert, ich als Leser aber nicht genau wusste, wie weit zurück diese Geschehnisse liegen. Auch konnte ich nicht immer eindeutig erkennen, wann die aktuellen Ereignisse stattfinden. Zwar halfen die Jahreszahlen, jedoch umfassten einige Kapitel mehrere Jahre und irgendwann verlor ich immer den Überblick.
Dragnić erzählt nicht chronologisch, sondern sie springt während des Romans zu den einzelnen Abschnitten des Familienlebens. So wird bereits zu Beginn von dem Tod und der Trauer berichtet. Fünf Seiten weiter sind die Schwestern jedoch noch jung und den Eltern geht es gut.
Bei den Abschnitten, die der allwissende Erzähler wiedergibt, kommt es immer wieder zu schnellen Dialogen z.B. zwischen den Schwestern. Hier fiel es mir sehr schwer, den Überblick zu behalten und zu erkennen, wer spricht. Die Autorin verzichtet nämlich in solchen Passagen auf Wendungen wie „Lucia/Nannina/Roberta sagt“.
Hervorzuheben ist die Sprache Dragnićs. Sie verwendet durchgehend eine sehr anspruchsvolle Sprache, die an einigen Stellen sogar poetisch anmutet. Ein Beispiel wäre: „Es war dunkel, obwohl noch Vormittag, schwarzgrau der Himmel.“ (S.56). Satzreihungen und Ellipsen sind sehr häufig anzutreffen. Auch wenn die Sprache etwas ganz Besonderes ist und das Buch zu einem kleinen Juwel werden lässt, trägt sie an manchen Stellen nicht zum Verständnis der Handlung bei, sondern verwirrt noch mehr. Jedoch schafft es die Sprache sehr gut, die vielen Emotionen zu transportieren und den Leser direkt anzusprechen.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass „Immer wieder das Meer“ ein besonderes Buch ist, das nicht dafür gedacht ist, zwischendurch oder nur nebenbei gelesen zu werden. Für diesen Roman sollte man sich Zeit nehmen, um den Zauber der Sprache entdecken zu können. Erst dann ist man in der Lage mit den Schwestern zu fühlen und zu leiden.