Großes Potenzial, das leider nicht wirklich genutzt wird

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Das Cover gefällt mir ausgezeichnet und war auch ehrlich gesagt der Hauptgrund, warum ich das Buch unbedingt lesen wollte. Die Kontraste zwischen dem dunklen, fast schwarzen Hintergrund und den in Orange gehaltenen ‚Highlights‘ lässt das Buch direkt ins Auge stechen. Zudem gefällt mir unglaublich gut, dass man sowohl den Titel als auch den abgebildeten Vogel im Buch finden kann und so hervorragend zum Inhalt passt. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass das Buch in Matt gehalten wäre und nicht so glänzen würde, weil es für mich das Cover noch einmal abgerundet hätte.

Die Geschichte an sich wirkt erst einmal spannend: Larabelle Fox ist ein 13-jähriges Waisenmädchen, das sich in der Kanalisation des Silberkönigreiches als Tosherin durchschlägt, indem sie (wertvolle) Dinge aus dem Abwasser fischt und versucht es zu verkaufen. Dabei muss sie sich immer wieder mit brutalen Banden und fiesen Strömungen auseinandersetzten bis sie eines Tages von einem Mann ohne Schatten hört, der Tosher tötet und nach einem geheimnisvollen Kästchen sucht. Als sie dieses findet, ist ihr noch nicht klar, dass dieses ihr Leben verändern wird. Denn das Kästchen enthält einen Untergangszauber, den Mrs Hester, die Beraterin des Königs sucht, um die Hexen jenseits des Meeres endgültig zu vernichten. Dazu will sie die Immernacht freilassen und so selbst über das Land herrschen, doch als diese schließlich kommt, kann nur noch Lara die ewige Dunkelheit aufhalten…

Als das Buch ankam und ich mich über das Cover gefreut habe, weil das in natura noch besser aussieht, als auf Bildern, habe ich mich aber dennoch schon zu diesem Zeitpunkt gewundert, wie dünn es ist. Natürlich sagt die Dicke eines Buches nichts über dessen Qualität aus und ich habe auch durchaus schon hervorragende Bücher gelesen, die nicht viele Seiten hatte, aber ich brauche vor allem bei Fantasybüchern meistens eine Weile, um mich in die Welt einfinden zu können und da bleibt bei Büchern unter 400 Seiten, so wie hier, zumeist nicht besonders viel Zeit dafür. Tatsächlich war das auch eines meiner Hauptprobleme. Am Anfang war die Welt, in der Lara und ihr bester Freund Joe sich bewegten, noch recht klein und man konnte sie sich ohne Probleme vorstellen und auch die Gesetze in der Kanalisation und unter den Toshern verstehen, aber je mehr Einblick man in die Welt bekam, desto schwieriger wurde es für mich, sie zu verstehen. Das lag auch an den vielen verschiedenen Perspektiven, mit denen das Buch spielt, mal sieht man die Welt aus Laras Sicht, dann aus Joes, dann aus Schattenjacks, dann aus Doppelachts. Das war eigentlich super, weil man so auch verschiedene Einblicke bekommt, aber man bekommt eben immer nur Einblicke, man versteht die Welt dadurch aber nicht wirklich, so ging es zumindest mir. Dabei fand ich die Idee dieser Welt und die Art der Verwendung von Magie wirklich gut und hätte gerne mehr darüber erfahren, aber Lara kommt erst unglaublich spät damit in Berührung und muss dann direkt die Welt retten, sodass man überhaupt keine Zeit hat, sich mehr damit zu beschäftigen. Das fand ich unglaublich schade, weil mich eben gerade die Magie, die für die gesamte Geschichte wirklich wichtig ist, interessiere und auch die Nutzung wirklich originell ist, man das aber nicht wirklich genießen kann. Ich habe vielleicht auch deswegen ewig gebraucht, um in die Geschichte zu finde. Erst ab der Mitte konnte ich mir in etwa vorstellen, wie sich die Geschichte entwickeln könnte und mit den Personen mitfiebern.

Das liegt vielleicht auch ein bisschen an den Figuren des Buches, zu denen ich erst sehr spät einen Zugang gefunden habe. Larabelle ist die unbestrittene Hauptfigur des Buches und so wird sie auch vorgestellt, aber ich hatte nie das Gefühl, sie wirklich fassen zu können. Ich hatte nie das Gefühl, ihre Emotionen greifen zu können, weil sie häufig bloße Worte blieben anstatt zu wirklichen Emotionen zu wachsen. Das hat mich ziemlich frustriert und dafür gesorgt, dass ich das Buch immer wieder nach wenigen Kapiteln weggelegt habe. Erst ab der Mitte wurde das Buch dann etwas besser und ich konnte die Protagonisten besser verstehen und habe ein bisschen mitgefiebert, aber dieser Punkt kam für mich ein bisschen zu spät.

Zudem ist mir die Brutalität des Buches immer wieder unangenehm aufgefallen, nicht, dass ich nicht auch blutige Thriller, Krimis oder auch Fantasy gelesen hätte, aber ich hätte hier auch aufgrund des Alters der Protagonisten und damit auch das der potenziellen Leser nicht damit gerechnet. Diese Szenen werden zwar nicht bis ins Detail beschrieben, aber vielleicht war es sogar gerade die Gleichgültigkeit, mit der blutige Gewalttaten passieren, die mich immer wieder irritiert haben. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn man die Protagonisten ein wenig älter gemacht hätte oder zwischendurch Konflikte unblutiger gelöst hätte.

Es werden außerdem immer wieder Dinge angesprochen, die später nicht mehr näher erklärt werden und bei denen man gerne Näheres gewusst hätte. Da hätte es vielleicht geholfen, wenn man die Geschichte des Silberreiches näher erklärt und das nicht nur mit wenigen Sätzen abgehandelt hätte. Auch die Rolle und das Wissen von Joes Großmutter bleiben offen und man kann nicht wirklich verstehen, warum sie so viel über Lara zu wissen scheint, obwohl sie sich nicht aus der Vergangenheit zu kennen scheinen, das hat mich bis zum Ende gestört, weil sie so einfach wie eine übermächtige Instanz wirkt, damit alle möglichen Rätsel leichter zu lösen sind und sich am Ende alles regelt.

Alles in allem gefiel mir die Idee des Buches und besonders die der Verwendung von Magie unglaublich gut, allerdings hat mich die Umsetzung nicht so richtig überzeugt. Ich habe wirklich lange gebraucht, um in die Geschichte zu finden und auch bis zum Schluss scheinen die Figuren nicht wirklich ausgearbeitet, was ich schade fand, die Story an sich hätte zumindest das Potenzial gehabt.