Strafrichter plaudert aus dem Nähkästchen...

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Rezension zu "In allen Punkten" von Helmut Wlasak


Das Cover dieses Buchs und das erste Kapitel sind etwas irreführend. Alles wirkt sehr düster. Die erste Geschichte, die der ehemalige Stafrichter und Autor Helmut Wlasak erzählt, ist fürchterlich bedrückend und könnte aus einem Horrorfilm stammen. Ebenso dunkel wirkt der Titel "In allen Punkten".
Doch dann stellt man beim Weiterlesen schnell fest, dass hier einfach nur ein Strafrichter aus seiner jahrzehntelangen juristischen Tätigkeit berichtet und dabei (zu meiner Freude) vor allem auch komische Fälle widergibt, die einen zum Schmunzeln anregen - nicht zum Fürchten.

Am interessantesten war für mich der Einblick in das Leben und Treiben der Strafrichter:innen. Auch sie sind nur Menschen und wollen selbst den Täter:innen eigentlich nichts böses. Denn auch das sind nur Menschen, die leider irgendwo mal falsch abgebogen sind. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und als Leser:in merkt man schnell: Das kann so ziemlich jedem Menschen passieren. Kriminelle werden nicht geboren, sondern von den jeweiligen sie umgebende Umständen gemacht. Diesen Aspekt herauszuarbeiten scheint dem Autor auch sehr wichtig zu sein. Zwischen den Zeilen liest sich heraus, dass Helmut Wlasak im Grunde ein großer Menschenfreund ist und in Jedem das Positive sehen möchte.
Nicht umsonst hat er wohl sogar den Grazer Menschenrechtspreis im Jahr 2013 erhalten.

Die Geschichten beziehungsweise Fälle sind sehr unterschiedlich. Auch was deren Widergabe, Länge und den verwendeten Erzählstil angeht. Manchmal sind es einfach nur Dialoge, die genau so im Gerichtssaal stattgefunden haben. Mal sind es längere Geschichten inkluisve Hintergründen und Charakterzeichnungen im Romanstil erzählt. Mal sind es sehr berührende innere Monologe. Je nach Geschichte und wie dieselbe den Autor berührt hat, wechselt er die Art und Weise, wie er darüber berichtet.
Das gefällt mir, weil es das Lesen sehr locker und kurzweilig gestaltet.

Am Ende hätte ich mir aber mehr Tiefgang erwartet. Mehr "Aha-Momente". Mehr Anregung zur persönlichen Reflektion.
Für Jurist:innen, Polizeibeamt:innen und an strafrechtlichen Verfahren sonst Interessierte sicher am spannendsten. Ansonsten eher leichte bis seichte Unterhaltung.