Ein bewegender Spannungsroman

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Chris Whitaker hat sich bereits mit „Von hier bis zum Anfang“ in mein Herz geschrieben. Was für ein intensives Leseerlebnis. Nach „Was auf das Ende folgt“ (ebenfalls ein sehr guter Roman) ist mit „In den Farben des Dunkels" nun Whitakers dritter Roman erschienen. Und ich kann euch sagen, meine Erwartungen waren sehr hoch.

Meine Sorge, ob mich der Roman begeistern kann, verflüchtigt sich schon auf den ersten Seiten. Denn nur ein paar Seiten hat es gebraucht, damit mich Chris Whitaker mit seinem großartigen Schreibstil – ebenso großartig von Conny Lösch übersetzt – erneut mitreißt und nicht mehr loslässt. Der Mann versteht es einfach zu schreiben! Schon der erste Absatz treibt mir die Tränen in die Augen – und es wird nicht das letzte Mal sein.

In einer genialen Mischung aus Krimi, Gesellschaftsroman und leiser Liebesgeschichte erzählt der Autor von den beiden Außenseitern Saint und Patch, die sich bereits als Kinder finden und über Jahrzehnte verbunden sein werden, auch wenn sie nicht zusammen sind. Und das sind sie schon viel zu bald nicht mehr, denn Patch wird von einem maskierten Mann verschleppt, der es eigentlich auf Misty, das beliebteste Mädchen der Schule, abgesehen hat. Patch rettet sie und wird selbst zum Gefangenen. Niemand weiß, wo er ist und ob er überhaupt noch am Leben ist.

Patch verbringt Monate in vollkommener Dunkelheit. Er weiß nicht, ob es Tag oder Nacht ist, weiß nicht, wie lange er überhaupt schon in seinem Gefängnis vor sich hin vegetiert. Doch Chris Whitaker wirft ihm einen Rettungsanker in Form eines Mädchens zu. Er schickt Grace zu dem Jungen in die Dunkelheit. Sie wird Patchs Symbol für Hoffnung, baut ihn auf, wenn er aufgegeben will. Im Bösen lässt Whitaker hier etwas Gutes entstehen, eine zarte Liebe entwickelt sich zwischen den beiden jungen Menschen, obwohl sie einander nicht einmal richtig sehen können.

Zu schaffen macht Patch allerdings, dass sie immer wieder für einige Zeit verschwindet. Was muss sie ertragen, wenn sie nicht bei ihm ist? Wenn sie wieder da ist, zeigt sie ihm ihre Welt und das nur durch die Kraft ihrer Worte. Mit ihnen lässt Grace die weite Welt vor seinen Augen entstehen. Sie erzählt sehr detailliert von Städten und Landschaften, von Kunst und Religion – Dinge, die eine größere Rolle spielen werden, als Patch sich vorstellen kann.

Chris Whitaker baut einige Wendungen in seinen großartigen Roman ein. Wendungen, die sämtliche Emotionen bedienen. Ich verspürte Wut, Mitleid, Trauer, aber auch Hoffnung und Freude angesichts gelebter Mitmenschlichkeit. Dass dies alles so bewegt, liegt auch an Whitakers Kunst, vielschichtige Charaktere zu zeichnen. Seine Figuren sind so echt, scheinen direkt aus dem echten Leben zu kommen, dass ihre Geschichten mich einfach mitnehmen.

Saint und Patch haben beide ihre sehr guten, aber auch weniger guten Seiten. Bei Patch treten diese nach seinem Martyrium in der Dunkelheit hervor. Seine Odyssee ist nach seiner Rettung nicht zu Ende. Sein Leben wird fortan nämlich nur noch von dem Gedanken bestimmt, Grace zu finden und dafür tut er alles, schreckt auch vor kriminellen Aktivitäten nicht zurück.
Während Patch die Erinnerung an Grace nicht loslässt und den wenigen Hinweisen (manchmal sind es auch nur Ahnungen) meilenweit durchs Land folgt, kämpft Saint auf ihre Weise mit der Vergangenheit, ihren Dämonen und ihrer Liebe zu Patch. Obwohl sie beruflich andere Wege einschlagen wollte, entwickelt sie sich zu einer sehr guten Polizistin mit dem Blick fürs Wesentliche. Patchs Entführer zu finden, wird zur Lebensaufgabe – das, und die Suche nach Grace, von der ansonsten alle annehmen, sie wäre lediglich ein von Patch ersonnenes Hirngespinst. Alles, was Saint glaubt zu wissen, wird auf die Probe gestellt, doch sie gibt nicht auf.

Eindringlich zeigt Whitaker, wie es Menschen ergeht, die Furchtbares erleben – nicht, in dem er die Taten beschreibt, sondern in dem er zeigt, was diesen Menschen genommen wird. Ihnen und auch ihren Angehörigen und Freunden. Wie viel Leid versucht wird, körperlich aber vor allem seelisch.

„In den Farben des Dunkels“ hat mich bis zur letzten Seite begeistert und mündet in einem Ende, das mich noch einmal sehr berührt. Ein Buch, das trotz seiner vielen Seiten durchgehend unterhält (tatsächlich ohne Längen!) und auf vielen Ebenen bewegt. Ein Leseereignis.

Fazit: Mit „In den Farben des Dunkels“ hat Chris Whitaker erneut einen herzzerreißenden Roman geschrieben, der alle Emotionen bedient und mit einigen Wendungen aufwartet. Hervorragend gezeichnete Charaktere und ein mitreißender Stil machen diesen Roman zu einem Highlight. Eine große Empfehlung!