Ein episches Meisterwerk mit einigen Längen

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mariposa2008 Avatar

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»'Heute wird der schönste Tag meines Lebens', sagte er. Das sagte er häufig. Weil er nicht wusste, was ihm bevorstand.«

Wie der Klappentext schon verrät, begleiten wir in diesem beeindruckenden Buch Joseph „Patch“ Macauley, einen 13-jährigen Jungen mit nur einem Auge, der zu Beginn mit seiner alleinerziehenden Mutter in einer Kleinstadt in Missouri lebt. Patch ist mutig und schreckt vor nichts zurück, doch diese Charaktereigenschaft wird ihm zum Verhängnis, als er heldenhaft die Entführung eines Mädchens verhindert und dabei selbst zum Opfer wird. Wer ihn entführt hat und warum, erfahren wir im Laufe des Buches. Wir erfahren auch, dass Patch die Odyssee zwar überlebt, aber tiefe Wunden und Narben davonträgt, die sein Dasein und das seines engsten Umfeldes ein Leben lang begleiten und beeinflussen werden.

In diesem Roman werden viele Themen aufgegriffen: Freundschaft, Liebe, Familie und Zusammenhalt, eine mysteriöse Mordserie, der Umgang mit Traumata, die Auswirkungen solcher Ereignisse auf die Menschen, die einem nahestehen, die lebenslange Suche nach Antworten, schicksalhafte Begegnungen, der Kampf mit inneren Dämonen und das Los, mit dem leben zu müssen, was einem widerfahren ist.

Chris Whitaker hat hier wirklich ein ganz großes Werk geschrieben (sind die Filmrechte schon verkauft???). Genau solche Romane liebe ich. Für mich persönlich gibt es nichts Besseres, als eine Hauptfigur über Jahrzehnte in ihrer Entwicklung zu begleiten. Wenn das Buch dann noch in den USA spielt und gesellschaftskritische Themen anspricht, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Der Autor hat außerdem die bemerkenswerte Gabe, die Figuren sehr vielschichtig zu zeichnen, so dass wir als Leser hautnah dabei sind, mit ihnen lachen und weinen, leiden und mitfiebern. Die Charaktere sind komplex und glaubwürdig. Es sind echte Menschen mit guten und schlechten Eigenschaften, seltsamen Gewohnheiten, inneren Konflikten und nachvollziehbaren Handlungen, die den ganzen Roman sehr real erscheinen lassen.

Das Buch hat mir wirklich gut gefallen, vor allem der Anfang und das Ende. Es war in sich rund, die Aufklärung war für mich schlüssig (auch wenn ich in einigen anderen Rezensionen von Unverständnis über das Verhalten einer bestimmten Figur gelesen habe).

Aber man muss sich auf das Buch einlassen können. Was ich damit sagen möchte: Das Buch ist nichts für zwischendurch. Ich musste einige wirklich ausufernde Lesestunden einlegen und habe deshalb auch ungewöhnlich lange gebraucht, um das Buch zu beenden. Es ist eben ein Epos. Irgendwann in der Mitte des Buches hatte ich sogar stellenweise gar keine Lust mehr, das Buch zur Hand zu nehmen, weil ich das Gefühl hatte, dass sich der Autor teilweise in zu vielen Details, Personen und Orten verzettelt. Trotzdem bin ich froh, das Buch nicht abgebrochen zu haben, denn es hat sich gelohnt, dranzubleiben.

Fazit
Ein gelungener epischer Gesellschaftsroman, der den beiden Vorgängern von Chris Whitaker in nichts nachsteht. Aber Achtung: Die Geschichte entwickelt sich wirklich sehr langsam. Wer hier einen rasanten Thriller erwartet, wird leider enttäuscht. Wenn man einen langsamen Erzählstil mag, ist das Buch absolut lesenswert.