Freundschaft, Liebe und Verlust

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
mehr_lesen Avatar

Von

Erzählt wird die Geschichte des Joseph Macauley, genannt Patch. Er hat von Geburt an nur ein Auge. Deshalb trägt er eine Augenklappe wie ein Pirat. Zu diesem Zeitpunkt ist Patch dreizehn Jahre alt. Er lebt mit seiner alkoholkranken Mutter in der Kleinstadt Monta Clare im Bundesstaat Missouri im mittleren Westen.

In einer Zeitspanne von mehr als 25 Jahren erfahren wir, wie sein weiteres Leben verläuft. Zu Beginn der Erzählung im Jahr 1975 lernt Patch zufällig das Mädchen Saint kennen. Sie wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass sie fortan dauerhaft auf ihrem weiteren Lebensweg befreundet sein werden. Beide Figuren sind sehr vielschichtig beschrieben und waren mir von Anfang an sympathisch.

Mit Saints Großmutter Norma, dem Teenager Misty Meyer, sowie dem Galeristen und Maler Sammy hat der Autor weitere Figuren mit Tiefgang entwickelt.

Das Leben von Patch nimmt eine dramatische Wende, als er beobachtet, dass das Mädchen Misty Meyer in Gefahr ist und er ihr zu Hilfe eilt. Sie kann fliehen und Patch wird entführt. Fast ein Jahr lang bleibt er eingesperrt in einem dunklen Verlies zusammen mit einem Mädchen namens Grace.

Nach seiner Befreiung ist Patch nicht mehr der, der er vorher war und Grace ist verschwunden. Es bleibt unklar, ob es dieses Mädchen wirklich gibt oder ob Patch sie sich lediglich eingebildet hat. Wir wissen nicht, ob Patch nicht an Albträumen, Flashbacks und Fehlwahrnehmungen leidet.

Niemand glaubt ihm, dass es diese Grace wirklich gibt. Er reist in den kommenden Jahren quer durch die einzelnen US-Bundesstaaten. Immer wenn er hört, dass irgendwo ein junges Mädchen vermisst wird, sucht er die Eltern auf in der Hoffnung, dass es sich um Grace handeln könnte.

Saint unterstützt ihn dabei, indem sie ihm Informationen zu den Vermissten zukommen lässt. Sie kämpft um ihren Freund, ihre große und einzige Liebe.

Ein nicht unerhebliches Spannungselement besteht darin, dass man erfahren möchte, ob es Grace wirklich gibt und Patch sie in diesem Fall jemals wiederfindet. Plot-Twists, die das weitere Leben von Patch, Saint und Misty wesentlich beeinflussen und ändern, haben mich überrascht, aber zum Teil auch traurig gestimmt.

Manchmal wendet der Autor eine Erzähltechnik an, bei der der Leser einen Wissensvorsprung vor dem Protagonisten hat. Das ist eine Form der Spannungserzeugung und wird meines Erachtens nicht so oft von Autoren angewendet. Um den Leser neugierig auf die Auflösung eines Erzählstrangs zu machen, greift Whitaker an einigen Kapitelenden zu Cliffhangern.

Dieser Roman ist ein gewaltiges Epos mit einer Tragweite von unvorhersehbarem Ausmaß, das sich über einen Zeitraum von insgesamt sechsundzwanzig Jahren erstreckt. Vier Jahre lang hat der Autor daran geschrieben.

Fazit:

Kein Roman seit den beiden Büchern »Unter blutrotem Himmel« und »Das letzte grüne Tal« von Mark Sullivan hat mich so berührt wie dieser Roman. Es sind gewisse Parallelen zu Joseph (Patch) Macauley und Jay Gatsby in F. Scott Fitzgeralds Roman »The Great Gatsby« vorhanden.
Der Schreibstil ist sehr beeindruckend und einfühlsam. Nichts ist langweilig oder langatmig in Whitakers Erzählungen. Er fügt sowohl prosaische als auch romantische Passagen ein. Die Geschichte hat mich mitgenommen und in ihren Bann gezogen. Ständig habe ich mir die Frage gestellt, ob es Grace wirklich gibt, oder ob dieses Mädchen auf Patchs Einbildung basiert.
Es werden verschiedene Genres bedient wie Coming-Of-Age, Freundschaft, bedingungslose Liebe, Schicksal, Verbrechen und polizeiliche Ermittlungen.
Dieser literarische Roman lebt nicht so sehr von der Spannung, sondern mehr von den verschiedenen Charakteren mit deren Entwicklungen über einen langen Zeitraum.
Wer sich davon inspirieren lassen will, dem kann ich dieses Buch empfehlen und vergebe dafür fünf Sterne.