Es atmet dich

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“Ein paar Vorteile hat der Besuch einer Schauspielschule. Wenn ich Bekannte sehen will, mache ich einfach den Fernseher an. Die Frau aus der Joghurt-Werbung war eine Stufe über mir, der Kommissar, der sich im Tatort über die Leiche beugt, war in meiner Klasse, und die Leiche kenne ich auch. Persönlich. Schon auf der Schule war sie eine sehr überzeugende Leiche, ihr lagen bewegungsarme Rollen. Wie ich höre, kann sie gut davon leben, tot zu sein.”

 

So schreibt Jan Diamant. Absolvent der berühmten Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München.

Schon in der Schule hat er sich in Lina verliebt. Bei einer Schultheateraufführung wird auch sie auf ihn aufmerksam. Weil der schüchterne, unscheinbare Kassengestellträger in der Rolle eines Computers mit Pappkarton auf dem Kopf gegen die Wand läuft und damit unfreiwillig vierhundert Leute zum Lachen bringt. Lina ist begeistert und legt nach der Vorstellung die Hand auf sein Bein um ihm zu sagen, dass er unbedingt Schauspieler werden muss. "Hätte sie in dem Moment gesagt, du musst unbedingt etwas draußen machen wäre ich Gärtner geworden. Oder obdachlos!". Als Lina an der Schauspielschule in München aufgenommen wird, scheint es als würden sich ihre Wege endgültig trennen. Mit Hilfe seines Zwillingsbruders Hendrik, einem coolen Draufgänger, schafft Jan jedoch die Aufnahmeprüfung. Und steht nun vor der Aufgabe Lina endlich zu sagen, was er für sie empfindet.

 

Solche Dialoge gibt es zuhauf. Lustig, flott und mit viel Wortwitz. Die Kapitel und Szenen sind kurz, zügig lesbar und bieten einen hohen Spaßfaktor.

 

Was auf die Dauer nervt ist die Endlosschleife der Peinlichkeiten in die Jan gerät weil er so schüchtern ist und sich nicht traut Lina seine Liebe zu gestehen. So verklemmt kann ein normaler zwanzigjähriger gar nicht sein. Weshalb Welte auch immer wieder die geistige Gesundheit seines Hauptprotagonisten anzweifelt und Jan am Ende sogar eine Bescheinigung einer Psychiaterin einholen muss. Auch der Gag mit dem Zwillingsbruder läuft sich auf die Dauer tot. Es wirkt unglaubwürdig, dass Lina obwohl sie Jan schon seit der achten Klasse kennt, nicht weiß dass er einen Zwillingsbruder hat. Verwechslungen mit identisch aussehenden Geschwistern bieten natürlich immer eine Menge Möglichkeiten, aber hier ist Welte zu wenig neues eingefallen.

 

Noch ein Wort zum Titelbild. Welte schreibt in seinem Dank, dass „die Cover-Entwürfe“ optischer Ansporn zum Weiterschreiben“ waren. Ich weiß ja nicht, wie die anderen Entwürfe ausgesehen haben. Das ausgewählte hätte bei mir jeglichen Impuls zum weiterschreiben zunichte gemacht!

 

 

 

Ich war sehr neugierig auf diesen Blick hinter die Kulissen der altehrwürdigen Kaderschmiede berühmter Schauspieler. Da ich die Kammerspiele selber schon oft besucht und auch schon Aufführungen der Falckenbergschüler gesehen habe, dachte ich es sei sicher interessant auch einmal darüber zu lesen, wie es bei der Ausbildung so zugeht. In dieser Hinsicht enttäuscht das Buch nicht. Von der Aufnahme, zur Gestaltung der Weihnachtsfeier über die Zwischenprüfung bis zum Intendantenvorsprechen. Mark Welte, selber Absolvent der Schule, beschreibt die Ausbildung in allen Phasen sehr bild- und detailreich.

 

„Unter der Übung habe ich auch gelitten. Bei mir hieß es, mein Rücken sei zu krumm und ich sollte an die Decke denken. Nur habe ich nicht genau verstanden was damit gemeint war.“ „Du sollst versuchen, deinen Kopf möglichst weit in Richtung Decke zu strecken“, erklärte Ruth. „Und ich atme falsch“, sagte Danuta ernst. Ruth nickte. „Nicht du sollst atmen, sonders es atmet dich.“ Danuta sah Ruth überrascht an. „Woher weißt du das?“ „Es gibt Bücher.“ „Du hast Bücher übers Atmen gelesen?“ August sah Ruth fassungslos an. „Na und? Wenn die Zwischenprüfung kommt, werde ich jedenfalls vorbereitet sein.“ „Ich wusste gar nicht, dass es eine Zwischenprüfung gibt“, sagte ich.