Wer ist Marguerite?

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Miriams heile Welt liegt seit zwei Jahren in Scherben. Ihr Mann Gregor ist als Journalist in einem Kriegsgebiet gewesen und dort tödlich verletzt worden. Nur ihr damals dreijähriger Sohn Max gibt ihr Kraft zum Weitermachen. Ihre Chefin Anna und die Kollegen in der Redaktion sind ebenfalls rücksichtsvoll. Das sind alles ideale Voraussetzungen, um einen Artikel um eine Preisverleihung der Hamburger Sartorius-Stifung zu schreiben. Bevor Miriam allerdings das Interview mit der zurückgezogen lebenden Stifterin führen kann, erhält sie mehrere anonyme Briefe mit der Aufforderung, nach Marguerite zu fragen.

Katrin Burseg schafft gleich im ersten Kapitel eine trauervolle Stimmung. Man fühlt sich in ihre Protagonistin ein, wie sie nach zwei Jahren immer noch ihren Mann vermisst, ihren Alltag für ihren fünfjährigen Sohn bewältigt und sie an einen Punkt angekommen ist, dass sie zurück ins Leben will. Ohne diese Erfahrungen selber gemacht zu haben, wird Miriam für den Leser empathisch. Die anonymen Briefe hingegen wirken spannungsgeladen und ein bisschen gefährlich. Sofort ist man eingenommen und will wissen, was diese ominöse Dame mit dem Artikel um die Preisverleihung zu tun hat. Hier passt eine Journalistin optimal ins Bild, die von Berufs wegen schon neugierig genug ist, um dieses Geheimnis zu lüften.

Die Handlung bewegt sich von gefühlvoll trauernd zu fassungslos wütend. Der Einstieg lässt noch nicht vermuten, welches Thema tatsächlich im Vordergrund steht. Miriams Recherchen bewegen sich bald in die Zeit des Terrorismus der 70er Jahre und zeigen Vergleich zu heute auf. Das Ziel ist immer dasselbe, aber die Strategie eine andere. Gleichzeitig zeigt Burseg auch den Menschen hinter dem Fahndungsfoto. Die fiktive Dorothea steht für eine politisch engagierte Frau mit Bedürfnissen und Wünschen, die zwar ihre Ideologien für die Liebe verrät, aber selbst aus der neuen Position noch aktiv die Gesellschaft verändert.

Das Porträt einer Gesellschaft liest sich spannend wie in Krimi. Miriam entwickelt sich glaubhaft von Kapitel zu Kapitel. Die Charaktere werden facettenreich dargestellt, sodass man mit wenigen Worten die gesamte Situation erfasst. Der Schreibstil berührt und zwingt den Leser, das Buch am besten ohne Unterbrechung zu lesen. Die Ursprungssituation scheint am Ende in einem anderen Licht. Das Thema ist heute so aktuell wie damals. Für den gefühlvollen Rundumblick vergebe ich eine klare Leseempfehlung.