Wieviel Wahrheit gehört ans Licht?

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timphilipp Avatar

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Die Hamburger Journalistin Miriam gerät anlässlich ihrer Recherchen über die große Mäzenin und Wohltäterin Dorothea Sartorius in einen gehörigen Gewissenskonflikt. Gemeinsam bereiten sie die Verleihung des von der Sartorius-Stiftung ausgelobten Preises für Zivilcourage vor. Doch kann Miriam noch hinter dem Projekt stehen, nachdem sie aufdeckt, dass die Stifterin als junge Frau ein Rädchen innerhalb der RAF-Terrorgruppe war und ihre Vergangenheit totgeschwiegen hat, als sie die anvisierte Zielperson, den schwerreichen Reeder und Senator Sartorius, kennen- und lieben gelernt hat?
Dieser Roman ist eine schöne Mischung aus Zeit- und Familiengeschichte. Einerseits erhalten wir einen guten Einblick in den Schrecken, den die RAF in den 1970er Jahren in Deutschland verbreitet hat. Ich selbst gehöre noch zu der Generation, die die auch im Roman erwähnten Schwarzweiß-Fahndungsplakate in Bank- und Postfilialen ausgehängt sah. Der geplante Anschlag von Dorothea Sartorius an der Schlei zum Nachteil ihres späteren Ehemannes ist zwar frei erfunden, entbehrt aber nicht völliger Realität und passt in das RAF-Schema. Andererseits nehmen auch die speziellen persönlichen Probleme von Miriam einen großen Raum ein. Nach zwei Jahren kann sie noch immer nicht die Trauer über ihren bei einer Fotoreportage im Ausland ums Leben gekommenen geliebten Mann verarbeiten. Vor allem für ihren fünfjährigen Sohn Max reißt sie sich zusammen. Insgesamt liest sich die Geschichte angenehm und ruhig. Sie hält dazu an darüber nachzudenken, wann Schweigen nicht mehr angemessen ist und stattdessen Mut zum Einmischen und zum Verkünden der Wahrheit (eben Zivilcourage) geboten ist. Dieser Zwiespalt ist anhand Miriams Situation gut herausgearbeitet. Sehr schön sind auch die Impressionen von Hamburg und dem Umland, die beweisen, dass Hamburg tatsächlich der Sehnsuchtsort der Autorin ist, wie es im rückwärtigen Klappentext heißt. Einen kleinen Wermutstropfen bedeutet es für mich, dass es etwas zu viele zu Tage tretende Verflechtungen der Romanfiguren untereinander und zu viele Zufälle gibt. Auch entsprechen Umgang und Sprache von Miriam mit ihrem erst fünfjährigen Sohn nicht dem natürlichen Verhalten einer Mutter gegenüber ihrem Kleinkind und wirkt Max zu erwachsen.
Alles in allem aber ein eindrucksvoller Roman.