Über die Kunst des Liebens und Schweigens

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Eduard Brünhofer, ein erfolgreicher Autor von Liebesromanen, ist seit vielen Jahren glücklich mit seiner Frau Gina verheiratet. Doch auf seiner Zugreise von Wien nach München, sitzt ihm eine Frau im frühen mittleren Alter gegenüber. Zunächst hofft Eduard, dass er einer Unterhaltung mit ihr entgehen kann, doch schließlich entwickelt sich ein Gespräch. Die Frau, Catrin Meyr, zeigt großes Interesse an persönlichen Themen. Obwohl sie skeptisch gegenüber Langzeitbeziehungen ist, will sie alles darüber wissen. Diese unerwartete Diskussion bringt Eduard letztlich in eine delikate Lage.

In der Geschichte dieses Romans, selbst wenn diese hauptsächlich in einem Zugabteil stattfindet, entfaltet Glattauer eine beeindruckende Reflexion über menschliche Interaktionen und Eigenwahrnehmung. Dreh- und Angelpunkt ist dabei sein Protagonist Brünhofer, für den auf seiner Reise von Wien nach München die zufällige Begegnung mit einer Frau zu einem Katalysator für tiefgründige Einsichten wird. Diese lassen es auch nicht an humorvollen Betrachtungen mangeln.

Beobachtung der Mitmenschen

Der Erzähler,dessen Beruf als Schriftsteller ihn zum genauen Beobachter macht, schildert seine Eindrücke von den Menschen um ihn herum. Besonders hervorstechend ist seine Analyse des Verhaltens unterschiedlicher Altersgruppen – vom sorglosen Blick auf Kinder bis hin zur kritischen Betrachtung der gramgebeutelten älteren Generationen. Durch diese Schilderungen habe ich nicht nur nur einen Einblick in die Welt des Erzählers gewonnen, sondern diesen haben auch ein Licht auf gesellschaftliche Normen im Umgang miteinander geworfen.

Von Interpersonalität zur Selbstwahrnehmung

Die zentrale Begegnung mit einer Frau im Zug dient als Spiegel für den Protagonisten, um über sich selbst und seine Wirkung auf andere nachzudenken. Der anfängliche Irrtum der Frau, ihn für einen ehemaligen Englischlehrer zu halten, löst bei ihm eine ganze Kaskade von Überlegungen aus: Wie werde ich wahrgenommen? Was sagt das über mich aus? ... Diese Fragen werden von Glattauer humorvoll und das mit einem Hauch von Ironie behandelt, was diesem Roman eine besondere Tiefe verleiht.

Das Dilemma des Schriftstellers

Glattauer nutzt die Situation seines Romans auch, um seinen Erzähler Brünhofer über seinen Beruf nachdenken zu lassen. Die Erwartungen der Leser und das ständige Ringen um Anerkennung werden dabei thematisiert. Der Dialog entwickelt sich zu einer Auseinandersetzung mit seiner Rolle als Autor – zwischen dem Wunsch, ernst genommen zu werden, und der Realität, oft missverstanden zu werden.

Humorvolle Gesellschaftskritik

Durchgehend durchzieht den Text ein feiner Humor gepaart mit satirischer Kritik an gesellschaftlichen Erwartungen und Normen. Besonders das Thema Nichtstun wird geschickt aufgegriffen. Denn in einer Zeit voller Ablenkungen fällt jeder auf, der einfach nur da sitzt und denkt. Das stellt einen fast schon revolutionären Akt in dieser schnelllebigen Welt dar.

Identitätssuche

Zudem bleibt das Motiv der Identität zentral. Dabei wird unter anderem die Frage aufgeworfen, wie viel vom eigenen Ich öffentlich sichtbar ist bzw. wie viel davon man eigentlich preisgeben will. Diese Fragen führten zu Beginn durch die Geschichte des Romans und ließen mich gemeinsam mit dem Erzähler über die Komplexitäten unserer modernen Existenz nachdenken.

Glattauer hat mich einmal mehr mit einem Roman überzeugt. Dabei ist es ihm gelungen, alltägliche Begebenheiten als Bühne für tiefere philosophische Betrachtungen zu nutzen. Die im Roman erzählte Geschichte diente dabei einerseits als Reflexion über das Leben eines Schriftstellers. Andererseits habe ich diese aus Aufforderung begriffen, das eigene selbst auch mal in Frage zu stellen und dadurch vielleicht sogar eine neue Perspektive auf die eigene Umwelt einzunehmen.