Naturschutz ist keine nette Fußnote, sondern Überlebensfrage

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
diebuchbloggende Avatar

Von

Ein klassischer Fall von „Do not judge a book by its cover“: Hinter dem schönen Meeresgemälde von Pam Carter steckt keine locker-leichte Liebesgeschichte an der Küste, sondern ein extrem bewegtes Frauenleben. Erzählt wird die Biografie von Rachel Carson, einer absoluten Pionierin und Einzelkämpferin für den Umweltschutz. Nur, dass sie es damals noch gar nicht so nannte – stattdessen quillt das Buch über vor ihrer Liebe, Wertschätzung und Anerkennung für alle Wunder der Natur.

Rachel Carson war eine Frau, die zur falschen Zeit am richtigen Ort geboren wurde. Begabt, klug, voller Leidenschaft für das Meer – und doch ständig ausgebremst von einer Gesellschaft, die Frauen in der Wissenschaft höchstens dekorativ, nie aber ernsthaft forschend sehen wollte. Chancen wurden ihr genommen, Männer eigneten sich ihre Entdeckungen an, und die wenigen Türen, die sich öffneten, schlugen bald wieder zu. Statt an vorderster Front forschen zu dürfen, musste sie sich mit Nebenjobs und familiären Verpflichtungen durchschlagen.

Und trotzdem: sie ließ sich nicht kleinkriegen. Als das Insektizid DDT massenhaft über Natur und Menschen versprüht wird, wird aus der stillen Autorin und Wissenschaftlerin eine kämpferische Stimme. Rachel schreibt, recherchiert, widerspricht – gegen die mächtige Chemieindustrie, gegen Behörden, die alles unter den Teppich kehren wollen, und gegen eine Öffentlichkeit, die Frauen lieber leise sehen will. Rachel riskiert damit ihre Karriere und ihre Gesundheit. Dass ihr Engagement zur weltweiten Umweltbewegung beitrug, ist eine historische Tatsache, die Graw in eine fesselnde Romanhandlung verwebt.

Theresia Graw macht eine Frau sichtbar, die wir (aner)kennen sollten – weil sie schon vor Jahrzehnten sah, dass alles Leben auf dieser Erde miteinander verbunden ist. Das Buch lässt sich locker-flockig weglesen und bringt uns diese bemerkenswerte Frau lebendig näher. Eine wirklich große literarische Auseinandersetzung mit der Person sollten wir hier nicht erwarten; es ist durchaus eher ein easy read, mit dem sich die Autorin ein wenig aus ihrem bisherigen Genre herauswagt. Das Cover habt ihr sofort vor Augen, wenn ich es beschreibe: pastellfarben, eine Frau im Kleid schaut in die Ferne. Manchmal bleiben die Figuren blass, manches wirkt glatter, als es wohl in Wirklichkeit war. Eines wird jedoch deutlich spürbar: die Liebe der Protagonistin zum Meer, zu den Fischen, Krabben, Vögeln, Insekten, zum Großen im Kleinen.

"In uns der Ozean" macht sichtbar, wie hart Frauen für Anerkennung kämpfen mussten – und müssen. Es erinnert, dass Naturschutz keine nette Fußnote ist, sondern Überlebensfrage - eine Tatsache, die aktuell trotz allgemein bekannter Fakten politisch erneut ignorierbar scheint...Ärgerlich und absolut unnötig fand ich dagegen die Verwendung des I-Wortes – rassistisch, verletzend, und in einem Buch, das sich mit so viel Respekt für Natur beschäftigt, ein umso stärkerer Bruch. Abzüglich dieses Kritikpunktes habe ich es wirklich gerne gelesen.