Perspektivenreich und inspirierend

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Sachbücher und Geschichten zu den Ureinwohnern Nordamerikas waren seit vielen Generationen – schon fast seitdem der Buchmarkt einen eigenständigen Blick auf junge Menschen hatte – ein Dauerbrenner im Kinder- und Jugendbereich. Das hat sich aus vielen Gründen geändert und seit kurzem mischt sich in die Überlegungen der Verlage wahrscheinlich auch noch die Angst, etwas falsch zu machen im Umgang mit fremden Kulturen. Allein schon die Frage: Wie soll man die Völker richtig benennen? Die Folge: Anstatt für dieses Andere in der Welt zu sensibilisieren, flüchtet man sich in Themen abseits davon.
Bei Carlsen hat man sich jetzt der Herausforderung gestellt und gezeigt, wie ein Jugendsachbuch aussehen kann, das aus der Perspektive der Menschen, von dem es handelt, selbst geschrieben wurde. Dieses Vorhaben steckt schon im Titel: „Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“. Eldon Yellowhorn ist ein Angehöriger der Piikani und trägt gemeinsam mit Kathy Lowinger das Wissen der vielfältigen Völker des Kontinents zusammen. Die Themen der Unterkapitel zeigen, dass man sich dabei vor allem an der Natur und ihren Elementen orientiert: der Himmel, das Wasser, das Feuer. Aber auch der Mensch an sich und seine Beziehung zur Natur stehen im Mittelpunkt, wenn es um Heilung, nachhaltige Ernährung oder die Bewahrung des Wissens geht. In vielen kurzen Schlaglichtern, umrahmt von einem reichen Schatz an Illustrationen, erfährt man darüber nicht nur Spirituelles, sondern auch von den Traditionen, die bis in die Frühzeit zurückreichen, und zudem von ganz konkreten Projekten Indigener in unserer Gegenwart, die dieses Wissen heute weitertragen, anwenden und damit auf die ökologischen Krisen reagieren.
Durch Nordamerikakarten, die jedem der acht Kapitel vorgeschaltet sind, kann man sich Orientierung zu den genannten Völkern verschaffen und kann deren Vielfalt – verteilt über den gesamten Kontinent – nachvollziehen. Das erfordert aber mitunter auch viel Aufmerksamkeit, um sich klarzumachen, von welchem Volk nun welcher Mythos, zu welchem Stamm nun welche Aktivisten gehören. Wenn der Verfasser von „wir“ schreibt, dann ist somit auch nicht immer ganz klar, ob nur die Piikani gemeint sind oder er alle Ureinwohner Nordamerikas miteinschließt. Letzteres wäre ja eine Pauschalisierung, die bisherigen Büchern und anderen Medien oftmals als Kritik vorgeworfen wurde. Der Kampf gegen die Unterdrückung seit der Besiedlung des Landes und die Zustände in den Reservaten heute bleiben auch in diesem Buch eher Randthemen. Aber der positive Blick auf das, was eine indigene Perspektive auf unserer Welt und das Wissen über sie leisten kann, ermöglicht jungen Menschen einen Einstieg in diese so komplexe Thematik. Aber auch ältere Lesende können sich von einer neuen Sichtweise inspirieren lassen. Bei der Komplexität und der Einordnung in aktuelle Diskussionen hilft sicherlich allen diesen Lesergruppen das Glossar. Man merkt hier, dass der Verlag mit Sabine N. Meyer und der Übersetzerin Nina Reuther zwei Beraterinnen an der Seite hatte, die in der Materie und vor allem ihrer Vermittlung kompetent sind.