Eindrücklich!

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igela Avatar

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Frida macht einen verhängnisvollen Fehler, als sie ihre 18 Monate alte Tochter Harriet 2.5 Stunden alleine lässt. Die alleinerziehende Mutter, die sich das Sorgerecht mit Harriets Vater Gust teilt, ist nach einer schlaflosen Nacht mit dem schreienden Kind am Ende mit ihren Nerven.

Ein Nachbar alarmiert die Polizei! Harriet kommt zu ihrem Vater und Frida muss ein Jahr lang in einer Besserungsanstalt beweisen, dass sie fähig ist, Harriet gut zu erziehen. Dort werden den eingewiesenen Eltern mithilfe von menschenähnlichen Puppen Fürsorge für ihre Kinder antrainiert. Wird sie Harriet jemals zurückbekommen?


Vergangenheit oder eher Zukunft? Was in dieser Geschichte beschrieben wird, tönt wie Vergangenes, als Müttern und Vätern ihre Kinder entzogen wurden. Ich denke da an das dunkle Kapitel "Verdingkinder in der Schweiz", als bis in die 60er Jahre Kinder von ihren Eltern getrennt wurden.

Ich gestehe, dass ich zu Beginn sehr voreingenommen war. Frida, die ihre kleine Tochter in ihrem Babyaktivcenter anschnallt und dann 2.5 Stunden alleine lässt, handelt meiner Meinung nach nicht verantwortlich. Dass ihr dadurch vorübergehend das Sorgerecht entzogen wird, kann ich ein Stück weit nachvollziehen. Was aber ab da geschieht, gehört eindeutig in die Rubrik "futuristisches Szenario". Mir hat Frida leid getan, denn unter dem Deckmäntelchen "Schulung" wird Psychoterror verübt in dem Institut des Horrors. Ab ihrer Ankunft in dem Institut liest sich das Buch wie ein Psychoroman, denn systematisch werden die Mütter in dem Institut erniedrigt. Etwas, was sich " Training der mütterlichen Fertigkeiten" nennt. Interessanterweise werden Mütter und Väter ungleich behandelt, obwohl ihre sogenannten Vergehen oft ähnlich sind. Die Passage, die in diesem Institut handelt, nimmt den grössten Teil der Seiten ein und ich empfand mittendrin doch ein Gefühl der Langatmigkeit. Aber auch ein Gefühl der Ungerechtigkeit und Mitleid mit den Müttern, die in diesem Besserungsprogramm stecken. Denn oft wird willkürlich entschieden, ob sie zum Beispiel mit ihren Kindern telefonieren dürfen oder nicht.

Auch wenn ich immer wieder mal denke, dass einige Eltern, die ich kenne oder beobachte, einen Kurs belegen könnten ... ein Szenario wie in "Institut für gute Mütter" ist jenseits von Gut und Böse. Unmenschlich, abartig und entwürdigend!

Das Debüt von Jessamine Chan hat es in sich und hat bei mir eine ganze Reihe von Gefühlen ausgelöst. Tief blickt man in die Psyche von Frida und mich hat die skandalöse Totalüberwachung, der Frida ausgeliefert ist, ebenso schockiert, wie zu lesen, wie sie sich völlig verbiegt, um Kontakt zu Harriet haben zu dürfen. Der Schreibstil der Autorin ist klar, mit einfachen Sätzen und trotzdem eindrücklich.

Dieses Buch stand laut Info im Buch auf der zu lesen Liste von Barack Obama. Was ich gut verstehen kann, denn gerade in Amerika ist ja der Polizeistaat noch mehr gegeben als in Europa.