Eine wahre Tragödie

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mike nelson Avatar

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Eine wahre Tragödie. Schon lange hat mich ein Roman nicht mehr derart berührt, wie Jessamine Chan's "Institut für gute Mütter". Frida, alleinerziehend und überfordert, ist in der Betreuung ihrer noch sehr kleinen Tochter Harriet ein Fehler unterlaufen: Sie hat sie über eine Stunde lang unbeaufsichtigt gelassen, um für ihren wenig verständnisvollen Professor etwas zu erledigen und sich einen Kaffee zu besorgen. Von Nachbarn angeschwärzt, bekommt sie Besuch von der neuen, staatlichen Kinderschutzbehörde; ohne wirklich irgendeine Chance zu haben, wird sie zu einem neu aufgelegten, einjährigen 'Mütter-Erziehungs-Programm' gezwungen, sofern sie verhindern möchte, dass ihr der Kontakt zu und die Fürsorge für ihre Tochter endgültig entzogen und Harriet in die Obhut ihres Mannes gegeben wird, der sich wegen einer jüngeren Frau zuvor von Frida getrennt hatte. Frida lässt sich gezwungenermaßen auf das Programm ein: An einem abgelegenen 'Trainingszentrum' muss sie mit anderen Müttern zusammen an 'Robot-Kindern' üben, wie gute Mutterschaft funktionieren kann. Ein absurdes Programm, welches autoritär durchgezogen wird. Von Anbeginn an und dann Kapitel für Kapitel wird die Situation beklemmender, schnürt einem beim Lesen förmlich den Hals zu. Fridas Verzweiflung wächst, bis sie am Ende fast schon an die Liebe zu dem ihr zugeordneten Roboter-Kind Emmanuelle glaubt... Und sich am Ende dann zu einem Akt der Verzweiflung hinreißen lässt. Die Inobhutnahme gefährdeter Kinder ist eine wichtige und notwendige Maßnahme, ganz ohne Zweifel. Was aber Jessamine Chan gelingt, ist uns dazu zu bringen, konsequent die Perspektive der Mütter einzunehmen, denen das Kind entzogen wird. Und so ganz nebenbei geht es auch um gesellschaftliche Ungerechtigkeiten, um Rassismus und die Benachteiligung von Frauen. Besonders erschreckend: Ein für die nahe Zukunft durchaus vorstellbares, grausames Szenario. Ein gutes & wichtiges Buch!!!!