Gelungenes Debüt

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kleine_welle Avatar

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Frida hat einen richtig schlechten Tag und lässt Harriet, ihre Tochter, für zweieinhalb Stunden alleine zu Hause. Ein Nachbar ruft die Polizei und nun muss Frida der Kinderschutzbehörde zweigen, dass sie ein Recht dazu hat ihre Tochter weiterhin zu betreuen. Eine Tortur beginnt.

Um ehrlich zu sein, finde ich das Cover etwas langweilig und so gar nicht ansprechend. Das macht die Idee der Geschichte aber mehr als wieder wett.
Im Grunde genommen ist Frida keine schlechte Mutter, sie war einfach nur gestresst, wie man halt einfach mal als Mutter gestresst ist, wenn das Kind eine Mittelohrentzündung hat und beide kaum schlafen deswegen. Natürlich möchte ich es nicht gut reden, denn niemals lässt man sein Baby alleine zu Hause, aber das Vergehen wirkt recht unerheblich, wenn man bedenkt, was für eine Hölle Frida und die anderen Mütter dafür durchmachen müssen.
Denn nachdem Frida erstmal nur unter Beobachtung gestellt wird, es werden überall in ihrem Haus Kameras von der KSB installiert, fällt sie durch und muss zur „Nachhilfe“.
In dem Institut sollen die Mütter (auch Väter, aber die landen an einem anderen Ort) lernen, wie sich eine gute Mutter verhält.
Jessamine Chan beschreibt alles sehr anschaulich und es ist manchmal reiner Wahnsinn, wie sich die Trainerinnen und Betreuerinnen verhalten. Und vor allem was erwartet wird. Ich wusste manchmal nicht, ob ich nicht einfach lachen sollte über diese Vorgaben, so schrecklich und unsinnig waren diese häufig.
Zum Beispiel wird den Müttern im Institut beigebracht, wie man ein Kind richtig umarmt. Also welche Umarmung wann angebracht ist und vor allem wie lange man das Kind festhält. Generell wird alles reglementiert und mit der Uhr gestoppt, wie lange brauchen die Mütter, um ihr Kind zum Schlafen zu bringen, wie lange, um es zu beruhigen, wenn es weint. Um nur zwei weitere Beispiele zu nennen. Dafür werden dann auch nach jeder Lektion Prüfungen abgehalten und wenn man durchfällt, dann macht man einfach nicht genug, um sein Kind zurückzubekommen.
Ob das Kind selbst dabei mitspielt, danach fragt niemand. Eine furchtbare Vorstellung, dass sich der Staat so einmischen darf, dass Eltern nicht selbst entscheiden dürfen wie sie ihr Kind zu erziehen haben.
Frida ist hier eine sehr tragische Figur, denn nach ihrem Fehler oder richtig schlechtem Tag, wie sie es immer wieder selbst nennt, gerät sie in diese Mühlen und kommt nicht raus. Sie muss von außen mitansehen, wie ihr Ex-Mann und seine neue Freundin ihre Tochter aufziehen und darf nicht eingreifen. Sie muss sich selbst ganz verlieren, um zu zeigen, dass sie nur das Wohl ihrer Tochter im Sinn hat, denn wenn sie was für sich selber tut, dann ist sie egoistisch und kann so ihr Kind nicht aufziehen.
Ich kann verstehen, dass sie nicht ausbrechen möchte und bei vielen Dingen wegguckt, denn sie möchte gerne das Sorgerecht für Harriet wieder bekommen. Und doch versucht sie auf ihre Weise das Institut zu verraten.
Das Ende passt so wunderbar zu dem Buch, denn es gibt weder Hoffnung noch lässt es einen vollkommen hoffnungslos zurück.

Mein Fazit: Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Zwischendurch wusste ich nicht ob ich über diesen furchtbaren Ort einfach lachen sollte oder die Beteiligten Personen anschreien sollte. Eine Idee, die schrecklich ist und den Blick auf das wesentliche gänzlich verloren hat. Was brauchen Eltern um gute Eltern zu sein? Aber vor allem, wo ist die Liebe? Ist es eine komplette Selbstaufgabe der Eltern? Wer sich traut, dieses Wechselbad der Gefühle zu durchleben, sollte unbedingt mal diesen Roman lesen. Die Autorin weiß, wie man ihre Leser*innen fesseln muss.