Spannende und emotionale Dystopie!

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viviennepachel Avatar

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„Weißt du noch, wie wir gesagt haben: Ich hab dich bis zum Mond lieb. Ich hab dich bis zu den Sternen lieb. Ich hab dich galaktisch doll lieb. Dann haben wir die kleinen Finger verhakt.“ (S. 254)

Das Cover passt meines Erachtens nach sehr gut aber auch wieder garnicht zur Geschichte. Einerseits ist es zu bunt, für das doch eher triste Institut, andererseits zeigt es Schatten und Beklemmung auf, die meine Gefühle während des Lesens gut beschrieben haben.

Jessamine Chan‘s Debüt ist definitiv kein Roman für schwache Nerven, denn auch wenn es sich nicht um einen blutigen Psychothriller handelt, zerrt „Institut für gute Mütter“ auf jeden Fall an den Nerven. Noch nie hat mich ein Buch so sehr wütend und nachdenklich gemacht.
Frida ist eine Protagonistin, die ich lange Zeit nicht richtig einschätzen konnte. Sie war schwach und stark zur selben Zeit, eben eine richtige Mutter.
Das Familiengericht und die Kinderschutzbehörde sahen dies allerdings anders, nahmen ihr ihr Kind Harriet weg und steckten sie in die „Erziehungsanstalt für gute Mütter“. Mit dem Kodex „Ich bin eine schlechte Mutter, aber ich lerne eine gute zu sein“ war Frida seelischen Qualen ausgesetzt, bei dem mir manchmal beinahe die Luft wegblieb. Die Methoden der Trainerinnen und Aufsichtspersonen im Institut als Misshandlung zu bezeichnen, grenzt beinahe noch an Beschönigung.

Die Frauen, einige noch im Teenageralter, sollten zu perfekten (Roboter)-Müttern erzogen werden, die ihre Mutterliebe an KI-Kindern ausleben und erweiterten. Jeder noch so kleine Fehler wurde dokumentiert und dementsprechend bestraft, der Alltag war hart und in einzelnen Textabschnitten, in denen Frida von ihren Gedankenhäusern erzählt, wird klar, dass sie zunehmend depressiv und suizidgefährdet ist. Einzig die Liebe zu ihrem Kind hält sie am Leben. Damit ist sie nicht die einzige Mutter im Kemp House.

Neben dieser eiskalten Wucht an psychischer Misshandlung der Frauen und den makaberen Situationen, denen sie ausgesetzt wurden, ließ die Autorin auch hier aktuelle politische Themen in ihre Dystopie einfließen. So wurde zum einen gerade Rassismus, vor allem auch gegenüber asiatischstämmigen Menschen wie Frida, als auch Rassismus gegen People of Color, sowie Sexismus und Homophobie beleuchtet. Gemeinsam mit der Vorstellung eines dystopsichen Amerikas, in dem Mütter und Väter zu perfekten Eltern erzogen werden sollen, war dieses Buch eine sehr schwere Kost für mich. Trotzdem bin ich nur so durch die Seiten geflogen, immer mit ordentlich viel Angst im Nacken.

Jessamine Chan‘s Debüt ist ihr definitiv gelungen, denn trotz des eher neutralen Schreibstil‘s hatte ich das Gefühl, jede einzelne von Frida‘s Emotionen am eigenen Leib zu spüren, obwohl ich selbst keine Kinder habe. Das Ende hat mich nochmal umso mehr überzeugt und mit einem befriedigten Gefühl zurück gelassen.

Eine Empfehlung für jeden, der Dystopien liebt und mal ordentlich wütend werden möchte!