Wütend werden garantiert

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katzenminze Avatar

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Frida hatte einen ganz schlechten Tag. Einen schlechten Tag, wie ihn die meisten Eltern eines kranken Kleinkindes wohl haben, wenn sie nebenbei noch mit Job, Ex-Partner und einer kaum ausreichende Menge Schlaf jonglieren müssen. Sie lässt ihr Baby allein, wird erwischt und schon hat ihr schlechter Tag ernsthafte Konsequenzen. Plötzlich ist sie eine Gefahr für ihr Kind und um ihr Sorgerecht nicht komplett zu verlieren, muss sich sich einem neuen Programm unterziehen, das aus schlechten endlich gute Eltern machen soll.

Jessamine Chan füttert den Leser gekonnt an: Ihr Kind alleine zu lassen, war wirklich keine gute Entscheidung Fridas. Zumal sie Alternativen hatte. Auch ist Frida nicht die größte Sympathieträgerin. Mir war sie beispielsweise zu passiv und angepasst. Aber letztlich ist das vollkommen egal. Denn das Szenario, das Chan schließlich auffährt, lässt dem Leser jede Missgunst und jedes „Hätte sie mal lieber“ im Halse steckenbleiben. Denn bei der staatlichen Willkür die hier ihr Unwesen treibt, könnte letztlich jede(r) in Fridas Situation geraten.

Ohne inhaltlich zu viel verraten zu wollen: Chan ist mit „Institut für gute Mütter“ eine gleichzeitig glaubhafte und absolut absurde Dystopie gelungen, die mich in einen regelrechten Lesesog gezogen hat. Man denkt es kommt dicke? Es kommt noch dicker! Man denkt es ist ungerecht? Es wird noch ungerechter.

Was ich besonders mochte und gleichzeitig furchtbar unbequem fand, war Chans Art zu erzählen ohne zu belehren und den Leser stattdessen selbst denken – beziehungsweise fühlen – zu lassen. Die Quälereien, die die Übungspuppen im Institut durchmachen müssen, ganz Grundsätzlich die Trennung von Müttern und ihren teilweise Kleinstkindern, die unterschiedliche Behandlung von Jungen und Mädchen, Männern und Frauen, die Unterdrückung von Wut, das Absprechen der eigenen Mündigkeit und und und. Aber so gut wie nie wird das von den Figuren im Roman benannt, geschweige denn dagegen aufbegehrt. Alles ordnet sich der staatlichen Aufsicht unter und wer aufbegehrt fliegt raus. Unrecht im Namen der Gerechtigkeit.

Mir hat der Roman in all seiner Überspitztheit, Düsternis und dystopischen Gedankenspielerei extrem gut gefallen. Wütendwerden ist garantiert und aus der Hand legen kaum möglich!