Großartige Sprache, großartiger Roman

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elfe1110 Avatar

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Vollkommen eingesogen – anders kann ich nicht beschreiben, wie mich dieser neue Roman von Katie Kitamura (Ü: Kathrin Razum) überwältigt hat. Kein großer Spannungsbogen, keine emotionalen Achterbahnfahrten, dafür eine so feinfühlige, tiefgründige und subtile Sprache, dass ich noch immer ganz gefangen bin.

Die Ich-Erzählerin, eine namenlose Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof in Den Haag übersetzt im Rahmen des Prozesses gegen einen Afrikanischen Ex-Präsidenten und kommt diesem im Laufe der Zeit sehr nah. Zeitgleich reist ihr Partner Adriaan zu seiner noch-Ehefrau nach Lissabon und lässt sie allein in seiner Wohnung zurück.

„…wie seltsam es war, ihre Worte für sie zu sprechen, wie verkehrt, dieses ich zu benutzen, das ihr gehörte und nicht mir, dieses Wort, das nicht geräumig genug war.“

Für mich persönlich machte dieses Ich der Erzählerin die Sogwirkung des Romans aus. Ich durfte an ihren persönlichsten Gedanken teilhaben, ihren Mutmaßungen, Ängsten, Interpretationen. Ihrer Suche nach Liebe und Freundschaft, nach Heimat und Zugehörigkeit, nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Alles heruntergebrochen auf Sequenzen und episodenartige Begegnungen. Die Protagonistin nimmt uns mit auf ihre Suche nach Antworten wo es keine klaren Lösungen gibt.

Grandios die Rolle der Dolmetscherin, die eher unscheinbar und beobachtend im Hintergrund agiert und der doch eine so tragende und bedeutungsschwere Rolle zukommt. „Meine Aufgabe besteht darin, den Abstand zwischen den Sprachen so klein wie möglich zu halten.“ Und dazu zählt neben der Sprache selbst auch jede noch so kleine Nuance, das Timbre der Stimme, die Gratwanderung zwischen Ironie und Wahrheit. Und eben dieses Gespür der Protagonistin für ihre Aufgabe wird durch Kitamura im Roman sehr subtil aufgegriffen. Es hat etwas sehr Intimes, wenn nicht gar „Heimlichtuerisches“, die Beobachtungen und „interpretations“ der Ich-Erzählerin zu teilen, die kleinsten Nuancen ihre Abwägungen in Gedanken mitzulesen, die Gratwanderungen des Gehörten, Beobachtenden, Gesagten.

Für mich ist „Intimitäten“ definitiv eins der Jahreshighlights, ein kleines, „stilles“ Buch, das dann sprachlich ganz gewaltig daherkommt.