Thematisch interessant, leider zu oberflächlich

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Katie Kitamuras Roman "Intimitäten" wird aus der Perspektive einer namenlosen Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof in Den Haag erzählt. Es geht einerseits um ihr Privatleben, besonders ihre Beziehung mit einem verheirateten Mann, und andererseits um ihre Arbeit am Gerichtshof.

Die Hauptfigur bleibt nicht nur namenlos, sondern auch etwas blass - besonders dann, wenn es um ihre Beziehung zu Adriaan geht. Ich finde es wenig nachvollziehbar, warum sie an ihm hängt. Eigentlich geht es mehr um ihre Vorstellung von ihm als um die Realität. Sie findet sich damit ab, dass er sie wochenlang im Dunklen lässt, ohne dass es zuvor eine besondere Nähe zu ihm gegeben hätte. Warum er für sie nicht nur eine bedeutungslose Affäre ist, kann ich nicht erkennen.

Die Passagen zur Arbeit als Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof finde ich deutlich überzeugender. Das gilt vor allem dann, wenn es darum geht, welchen Einfluss Sprache bzw. Übersetzung auf den Inhalt und die Wirkung des Gesagten haben und wie die Dolmetscherin dadurch, dass sie für einen Angeklagten übersetzt, an Neutralität zu verlieren droht. Viele interessante Gedanken werden aber nur angerissen und dann nicht weiter verfolgt. Das Fazit zur Arbeit am Gerichtshof, ein dafür erforderliches Naturell und ein angebliches Abstumpfen kommt plötzlich und fühlt sich unpassend an.

Vielleicht liegt es daran, dass "Intimitäten" mit nur gut 200 Seiten sehr kurz geraten ist, dass der Roman die vielen faszinierenden Ansätze nicht weiterverfolgen kann und an der Oberfläche und in bloßen Andeutungen verharrt. Ich finde es sehr schade - ein paar Kapitel mehr, und es hätte die "elektrisierende Geschichte" werden können, die der Text auf der Buchrückseite verspricht.